Andacht vom 14.07.2007:
Bloß ein vergessener Mantel
[Paulus sagte:] Den Mantel, den ich in Troas ließ bei Karpus, bringe mit, wenn du kommst, und die Bücher, besonders die Pergamente. 2. Timotheus 4,13
Ein ungewöhnlicher Text für eine Andacht! Welche Botschaft soll uns damit vermittelt werden? Es liest sich eher wie eine private Randmitteilung des Apostels Paulus. Wieso ist sie trotzdem in der Bibel zu finden, mitten zwischen den vielen inspirierten Texten, theologischen Gedanken und geistlichen Wahrheiten?
Mir ist dieses Wort sehr wertvoll geworden. Es zeigt den großen Apostel und Glaubenshelden als Menschen - wie dich und mich. Den gewaltigen Gottesmann kümmert ein Mantel, den er in Troas vergessen hat! Wir erfahren: Auch wer so tief in die göttlichen Erkenntnisse eingedrungen ist wie Paulus, kümmert sich noch um die Dinge des alltäglichen Lebens.
Ich bin dankbar für diesen Text. An dieser Stelle kann auch ich mich mit dem Apostel identifizieren. Wenn er dagegen seine hohe Theologie betreibt und über seine außergewöhnlichen Erfahrungen mit Gott berichtet, fühle ich mich oft arm und unwissend.
Auch Paulus hatte seinen Alltag zu bewältigen. Gerade erst war er aus dem Gefängnis gekommen und litt nach wie vor unter seinem körperlichen Leiden, seinem "Pfahl im Fleisch". Das tröstet mich und gibt mir Mut. Wenn es ihm, der sich so eng mit Gott verbunden fühlte, so erging, dann wird mir wieder deutlich, dass der Alltag manchmal einfach nur anstrengend und gewöhnlich sein kann, für Paulus damals und für uns heute.
Ich erfahre dadurch erneut, dass wir alle nur Menschen sind und uns immer wieder mit alltäglichen Kleinigkeiten herumschlagen müssen, und sei es nur ein vergessener Mantel. Gerade in seiner menschlichen Unzulänglichkeit hat Paulus Gott erfahren. Seine Erfahrung war: "Darum bin ich guten Mutes in Schwachheit... denn auch wenn ich schwach bin, so bin ich stark." (2 Ko 12,10)
Auch uns gilt sein Erleben, und wenn ich heute etwas vergessen habe, so brauche ich nicht zu fürchten, ich sei von Gott verlassen worden. Gerade dann wollen wir uns, wie Paulus, in unseren menschlichen "Schwachheiten" von Gottes Stärke und Freundlichkeit trösten und helfen lassen.
Gerd Dreiling
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.
