Andacht vom 27.04.2008:
Kein Kollektivvertrag zu Jesu Zeiten
Als es nun Abend wurde, sprach der Herr des Weinbergs zu seinem Verwalter: Ruf die Arbeiter und gib ihnen den Lohn und fang an bei den letzten bis zu den ersten. Matthäus 20,8
Der Weinbergbesitzer wird in dieser Geschichte (Mt 20, 1-16) sonderbar dargestellt. Auf den Tag verteilt stellt er mehrfach Arbeiter ein. Es entsteht der Eindruck, dass er den Umfang der anstehenden Arbeit unterschätzt oder die Leistungsfähigkeit seiner Arbeiter überschätzt hat. Oder wollte er sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt zunutze machen? Mit den zuerst Angestellten verhandelt er noch und man einigt sich auf einen Silbergroschen als Tageslohn (V. 2). Bei den weiteren Einstellungen wird nicht mehr verhandelt und er legt den Lohn selber fest, ohne dessen Höhe zu bestimmen. "Was recht ist" (V. 4), verspricht er. Aber was genau heißt das? Wie soll es dabei gerecht zugehen, wenn keine eindeutige Abmachung getroffen wird?
Würdest du dich als Arbeitsuchende(r) auf so etwas einlassen? Vielleicht waren die Leute damals froh, überhaupt Arbeit zu bekommen - wenn auch verkürzt - und wollten diese Chance durch Lohnforderungen nicht noch gefährden. Und denjenigen, die er erst eine Stunde vor Feierabend anspricht, hält der Weinbergbesitzer zu Unrecht Untätigkeit vor: "Was steht ihr den ganzen Tag müßig da?" - "Es hat uns niemand eingestellt", entgegnen sie (V. 6.7). Doch er kann auch sie gebrauchen. Sicher, die zuletzt Angeworbenen hatten nur eine Stunde zu arbeiten, noch dazu ohne die brütende Mittagshitze. Allerdings ist es auch eine erhebliche Belastung, die ganze Zeit vergeblich auf Arbeit zu hoffen.
Fast bis zum Schluss scheint es in dieser Geschichte sehr gesellschaftstypisch zuzugehen. Der Weinbergbesitzer weiß seine Position geschickt zu seinen Gunsten einzusetzen. Und wenn dieser Mann für Gott steht und die Geschichte das Reich Gottes beschreiben soll, sind wir vielleicht enttäuscht.
Doch dann gibt es gleichen Lohn für alle! Das hat etwas Befreiendes: Alle Angestellten bekommen, was sie brauchen. Bekämen z. B. die zuletzt Angeworbenen nur das, was sie tatsächlich verdient haben, könnten sie davon nicht leben.
So ist Gott: Bei ihm geht es nicht in erster Linie darum, dass jemand viel leistet, sondern dass er sich ihm zur Verfügung stellt, wenn er ruft. Halte dich für ihn bereit, auch wenn du denkst, dass Gott dich noch nicht oder nicht mehr gebrauchen kann.
Adelbert Genzel
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.