Andacht vom 15.06.2004:
Der Höchste
Es ist alles bloß und aufgedeckt vor den Augen Gottes, dem wir Rechenschaft geben müssen. Hebräer 4,13
Es war schon ein seltsames Gefühl, als ich der englischen Königin Elizabeth II. unmittelbar gegenüberstand und sie aus allernächster Nähe sah. Überlegen schaute sie mich an. Ich wagte nicht, ihr zur Begrüßung die Hand zu geben, zumal es an ihr gewesen wäre, mir die Hand zu reichen. Neben und hinter mir drängten sich andere Neugierige - die Augen voll Bewunderung. Da von ihrer Majestät keine Regung, kein Wort kam, ging ich langsam weiter - durchs Wachsfigurenkabinett von Madame Tussaud in London.
Wie wird uns wohl zumute sein, wenn wir eines Tages vor die allerhöchste Majestät gerufen werden? "Wir werden alle vor den Richterstuhl Gottes gestellt werden." (Rö 14,10) Da werden wir nicht den Mut haben, Gott ins Gesicht zu blicken, sondern werden abwarten müssen, was er zu uns sagt. Ob wir getaufter Christ sind, wird ihn nicht als erstes interessieren. Aber er wird wahrscheinlich von uns hören wollen, warum wir unser Leben so und nicht anders gelebt haben, warum wir unserem Schöpfer nicht mehr Achtung entgegengebracht und an unserem Mitmenschen so gleichgültig vorübergegangen sind.
Ausschlaggebend für Gottes Urteil werden die Beweggründe unseres Tuns und Lassens sein. Und da gibt es nur einen einzigen Grund, der zählt: die Liebe zu Gott und zu unserem Nächsten. Darauf hat uns Jesus klar und deutlich hingewiesen: "Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen ... Dies ist das höchste und größte Gebot. Das andere aber ist dem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst." (Mt 22,37-39) Haben wir aus lauter Liebe dennoch falsch gehandelt - falsch in Gottes Augen -, dürfen wir hoffen, dass der Höchste Gnade walten lässt. "Ich, der Herr ... bin ein eifernder Gott ... der Barmherzigkeit erweist an vielen Tausenden, die mich lieben." (2 Mo 20,5.6) "Darum lasst uns hinzutreten mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade." (Hbr 4,16)
Martina Reiß
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.
