Andacht vom 08.12.2008:
Das "Timing" ist entscheidend!
Ester sagte nichts von ihrem Volk und ihrer Herkunft. Ester 2,10
Ein jüdischer Rechtsanwalt arbeitet für die persische Regierung. Eines Tages lässt der Regent des Landes alle schönen Mädchen in seine Residenz rufen, ein außergewöhnliches "Casting" ist angesagt: Persien sucht den "Superstar", die schönste und klügste und liebenswürdigste Frau aller Zeiten.
In den Städten und Dörfern herrscht helle Aufregung: Friseure, Schneider, Kosmetikerinnen und Tanzlehrerinnen haben plötzlich Hochkonjunktur. Aber nicht alle sind freudig gespannt. So mancher Nachbarsjunge weint heimliche Tränen, weil sein Schwärm für immer seiner Reichweite entschwindet, denn wenn ein Mädchen erst einmal als Kandidatin aufgestellt ist, wird nichts so sein wie zuvor: Liebespaare werden getrennt, einzige Töchter ihren Eltern entrissen.
Auch die Cousine und Pflegetochter des jüdischen Rechtsanwalts wird einberufen. Er schärft ihr ein, ihre Religion und Nationalität zu verschleiern, um keine Vorurteile zu wecken. Tatsächlich hat Ester gute Chancen, die neue "First Lady" zu werden. Ihr "Coach" ist begeistert und fördert sie nach besten Kräften; sie lässt sich beraten und - gewinnt! Nun ist sie die erste Dame in einem riesigen Reich, doch ihr hoher Rang beschert ihr nicht immer nur Glück. Schon bald fühlt sie sich von ihrem Gatten vernachlässigt und erlebt, wie andere Leute sich dazwischenschieben.
Dann droht ihrem Volk ein Pogrom: Alle Juden sollen ermordet werden. Mit viel Takt und Fantasie kann sie das Vertrauen des Königs zurückgewinnen und das Unheil abwenden. Sie wird zur Retterin ihres Volkes. Esters Geistesgegenwart, Zivilcourage und Einfallsreichtum retten tausenden Juden das Leben.
War es Feigheit, dass sie sich nicht von Anfang an als gläubige Jüdin "outete"? War es falsche Kompromissbereitschaft, weil sie mit dem Perserkönig schlief, ohne zu wissen, ob er sie wirklich zu seiner Königin machen würde? War sie unehrlich, als sie nicht sofort mit ihrer Bitte herausplatzte, sondern den König erst durch ein Gourmetessen in entspannter Atmosphäre in gute Laune versetzen wollte? Und als sie ihre Bitte noch einmal aufschob, weil sie spürte, dass der ideale Zeitpunkt noch nicht gekommen war?
Von Ester können wir viel lernen! Mit Takt und dem Sinn für das rechte "Timing", mit Mut und Engagement, gepaart mit Verständnis und Einfühlung und einem unverbrüchlichen Gottvertrauen kommen wir weiter, als wenn wir stur mit dem Kopf durch die Wand preschen wollen, auch heute noch.
Sylvia Renz
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.
