Andacht vom 12.07.2004:
Schrei in die Dunkelheit
Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne. Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht, und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe. Du aber bist heilig, der du thronst über den Lobgesängen Israels. Unsere Väter hofften auf dich; und da sie hofften, halfst du ihnen heraus. Zu dir schrien sie und wurden errettet, sie hofften auf dich und wurden nicht zuschanden. Psalm 22,2-6
Vor mehr als drei Jahrtausenden sind diese Verse des 22. Psalms entstanden. Sie drücken Grunderfahrungen des Menschen aus. Auch Jesus hat die Anfangsworte dieses Textes am Kreuz gebetet - angesichts des Leides und der Verzweiflung.
Doch zurück zum Psalm: Die Klage, aus tiefer menschlicher Angst heraus, wandelt sich in Lob. Das geschieht nicht dadurch, dass sich der Leidende einen Ruck gibt, die bedrückende Wirklichkeit leugnet oder den Optimisten herauskehrt, nein, er stützt sich in diesem Augenblick auf seine Erinnerung: Gottes Verheißungen! Das Gedenken daran sprengt das Negative, setzt einen neuen Anfang. Der Beter weiß auf einmal: Gott hat gehört, sich zu ihm geneigt. Damit ist das Entscheidende geschehen. Das noch Ausstehende, die Wende der Not, wird folgen.
Indem der Angefochtene den Herrn lobt, kann er widerstehen. Lobpreis in der Not und ein "sich erinnerndes" Vertrauen zu Gott - kann das nicht auch heute eine Waffe gegen die bedrückende Wirklichkeit dieser Welt sein?
Der Theologe Adolf von Harnack ermahnt uns: "Überhöre keine Stimme, die dich erinnert, dass du zu Gott und seinem ewigen Reich gehörst!"
Joachim Vogel
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.