Andacht vom 15.05.2009:
Anbetung auf Abwegen
Er ließ die Heiligtümer auf den Hügeln zerstören, zerschmetterte die Steine, die fremden Göttern geweiht waren, und das Standbild der Göttin Aschera. Er zerschlug auch die bronzene Schlange, die Mose einst gemacht hatte, denn die Israeliten verbrannten vor ihr immer wieder Weihrauch als Opfer. 2. Könige 18,4 (Hoffnung für alle)
Wie mögen die Leute getuschelt haben, als Hiskia die bronzene Schlange zerstören ließ? Das Vernichten der Höhenheiligtümer und das Niederreißen von Götzenbildern mag nachvollziehbar gewesen sein. Aber hatte er das Recht, das Schlangenbildnis zu beseitigen? Schließlich war es das Symbol für eine herausragende Glaubenserfahrung in der Geschichte Israels (4 Mo 21,4-9). Es erinnerte daran, dass Gott sein murrendes Volk zwar gezüchtigt, aber nicht verstoßen hatte. Die Schlange galt seitdem als Symbol des Lebens, als Zeichen für die Rettung durch Gott. Und dieses Andenken sollte erhalten bleiben, damit die Erfahrungen aus der Vergangenheit nicht vergessen würden.
Aber offensichtlich war gerade das längst traurige Wirklichkeit. Das Symbol der Gnade Gottes war im Laufe der Zeit zu einem Fetisch und magischen Zeichen geworden. Die Schlange erhob sich an der Seite von heidnischen Götzenbildern und genoss inzwischen religiöse Verehrung, die weitab von dem war, woran sie erinnern sollte. Man betete sie direkt an, brachte ihr Opfer und gab ihr damit einen Wert in sich. Eine Tradition hatte sich verselbstständigt, weil der Bezug zu Gott und seinem Handeln verloren gegangen war. Deshalb hat Hiskia sie zerstört.
Das Gehabe um die Schlange führte weg von Gott, anstatt die Erinnerung an seine Langmut und Barmherzigkeit lebendig zu erhalten. Nun könnte man fragen, ob es nicht besser gewesen wäre, dem Volk den eigentlichen Sinn des Symbols bewusst zu machen, anstatt das Abbild zu zerstören. Anscheinend nicht. Der König spürte wohl, dass hier nur eine Radikallösung angebracht war.
Religiöse Symbole, Traditionen oder Formen können hilfreich sein, wenn sie zur Anbetung Gottes führen und den Glauben an ihn stärken. Aber auch in der Christenheit gab und gibt es Symbole, deren eigentlicher Sinn - wie bei der bronzenen Schlange - verloren gegangen ist. Alles, was zum Selbstzweck wird oder nur fromme Gefühle weckt, bringt uns Gott nicht näher, führt nicht zu geistlichen Erfahrungen und schon gar nicht zu Buße und Umkehr - ganz gleich, wie beeindruckend es daherkommt. Manchmal bedarf es auch bei uns einer solch radikalen Wende, wie damals in Juda, als Hiskia die Schlange zerstörte.
Roland Nickel
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.