Andacht vom 07.10.2009:
Zwischen Wahrheit und Hahnengekrähe
Und Petrus war unten im Hof. Da kam eine von den Mägden des Hohenpriesters; und als sie Petrus sah, wie er sich wärmte, schaute sie ihn an und sprach: Und du warst auch mit dem Jesus von Nazareth. Er leugnete aber und sprach: Ich weiß nicht und verstehe nicht, was du sagst. Und er ging hinaus in den Vorhof, und der Hahn krähte. Markus 14,66-68
Dieser sonst so standfeste Nachfolger des Herrn wird im Angesicht der Lebensbedrohung schwach. Und da er einmal die Unwahrheit sagt, um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen, folgen die zweite, noch krassere, und die dritte Lüge. Erst nach dem vorhergesagten Zeichen der Hahnenschreie bricht die Reue über Petrus herein. Glücklicherweise kam er mit seiner Reue zu Jesus. Er schlug nicht den Weg des Judas ein, der sich erhängte. Petrus erinnerte sich an die Worte der Vergebung durch seinen Herrn, und diese Worte gaben ihm seinen Seelenfrieden zurück.
Wie hätte ich in ähnlich schwieriger Lage gehandelt? Victor Mann war der Bruder von Heinrich und Thomas Mann, die in der Zeit des Nationalsozialismus zu Staatsfeinden erklärt wurden. In einem Landgasthof wurde Victor von einer Frau gefragt, ob er mit den Schriftstellern Heinrich und Thomas Mann verwandt sei. Noch nie hatte Victor seine verwandtschaftlichen Beziehungen geleugnet, doch in diesem Augenblick verhielt er sich anders: "Ich konnte mich zwischen KZ und Leben entscheiden. Und so antwortete ich: Nicht, dass ich wüsste!"
Verleugnen kann auch ein anderes Gesicht haben: Zwei Männer teilen sich das Zimmer einer Altbauwohnung. Als einer im Sterben liegt, holt der andere aus seinem verschlossenen Spind eine Bibel und will seinem Kameraden daraus vorlesen. Da sagt der Todkranke: "So einer bist du! Jahrelang lebten wir zusammen, und du hast mir nie davon erzählt, dass du gläubig bist!"
Vielleicht habe ich in meinem Leben auch Formen der (Not-) Lüge praktiziert? War ich froh darüber, mir vielleicht einen Vorteil erschlichen zu haben, oder war ich so todtraurig wie Petrus? Gott bewahre mich vor einer Situation, in der es wirklich ums Überleben geht. In der Bibel lesen wir die Geschichte von Rahab, die in einer kritischen Lage nicht die Wahrheit sagte. Und doch wird sie zu den Gerechten gezählt.
Es gibt Menschen, die sich an eine Lüge vor zehn Jahren erinnern können, aber die Wahrheit in zehn Minuten vergessen haben. Möge der Herr uns den Mut zur Wahrheit schenken!
Friedemann Mahlhus
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.
