Andacht vom 05.07.2010:
Vergib uns unsere Schuld, wie wir denen vergeben, die uns Unrecht getan haben. Matthäus 6,12 (Hoffnung für alle)
In unserer Gesellschaft ist der Begriff "Vergebung" kein gängiges Wort mehr. Viele denken dabei an ein hohes, nahezu unerreichbares Ideal. Das erklärt vielleicht, warum Zeitungen manchmal von Menschen berichten, die einen Weg der Vergebung gefunden haben.
Besonders spektakulär war der Bericht über Klara und Walter Schauer aus Passau. Nach 15 Jahren Ehe hatten sie sich auseinandergelebt. Er stapelte halbe Nächte Maschinenteile, um Geld für die Familie zu verdienen. Am Wochenende fuhr er mit dem Motorrad durch die Gegend, während sie sich zu Hause missachtet und einsam fühlte. Als sie dann ein Verhältnis mit einem Vertreter einging und ihr Mann das bemerkte, kam es zu Auseinandersetzungen.
In der Silvesternacht steigerte sich seine Wut derart, dass er in einem Handgemenge auf seine Frau schoss. Seitdem sitzt Klara Schauer im Rollstuhl. Ihr Mann bekam wegen schwerer Körperverletzung zwei Jahre Gefängnis auf Bewährung - die mildeste aller möglichen Strafen. Klara Schauer hatte ihm öffentlich vergeben. Sie sind als Ehepaar zusammen geblieben.
Klara Schauer erklärte das einem Journalisten so: "Wissen Sie, ich habe vorher nie verzeihen können, habe oft gebockt. Ich war Christin, aber nicht sonderlich gläubig. Doch da unten auf dem Boden habe ich mich daran erinnert, dass Gott nicht verurteilt, sondern verzeiht und sein Blut für uns vergossen hat."
Sicherlich ein bemerkenswerter Bericht. Er kann uns Mut machen, dass Vergebung kein unerreichbares Ideal bleiben muss. Sie ist ein praktischer Weg, um mit den Enttäuschungen des Lebens zurechtzukommen.
Vergebung löscht die Vergangenheit nicht einfach aus, aber sie kann von Hass und Wut befreien und in eine bessere Zukunft führen. Und Gott ist dabei ganz auf unserer Seite. Zur vollen Entfaltung kommt die innere Befreiung dann, wenn der, der den Weg des Verzeihens geht, sogar Interesse am weiteren Wohlergehen dessen hat, der ihm Unrecht getan hat. Das Ehepaar Schauer hat sich entschieden, diesen Weg zu gehen.
Gott möge auch uns auf dem Weg der Vergebung begleiten. Er wird dabei immer unser großes Vorbild sein.
Günther Machel
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.