Andacht vom 12.11.2004:
Dein erster Liebhaber
Wir wollen lieben, weil Gott uns zuerst geliebt hat. 1. Johannes 4,19
Die Liebe Gottes ist kein Ideal, das uns vorgemalt wird. Johannes hatte sie als eine Realität erlebt, die uns voraus ist. Sie kommt uns geradezu entgegen. Gott hat uns zuerst geliebt - das bedeutet: ER liebte uns schon, bevor wir überhaupt denken konnten, bevor die Sehnsucht nach Liebe in uns geweckt wurde.
Dieser Sachverhalt ist etwas Einzigartiges. Er wird uns immer wieder bewusst, wenn wir die zwischenmenschlichen Beziehungen unter die Lupe nehmen. Meistens erwarten wir vom anderen den ersten Schritt. Wäre mein Mitmensch etwas freundlicher oder liebevoller zu mir, dann könnte ich auch freundlicher zu ihm sein! Auch sind wir im allgemeinen bereit zu vergeben, wenn der Andere das erste Wort des Bedauerns ausspricht. Sagt er es nicht, bin ich in der Regel auch nicht willens zu verzeihen.
Gott wartet nicht, bis wir kommen. In Jesus hat er den ersten Schritt auf uns zu getan. Die Religionen fordern stets vom Menschen, die Götter zu lieben. Wo das der Fall ist, darf der Mensch hoffen, dass sich die Götter ihm günstig erweisen. Das Evangelium jedoch verkündigt uns, dass wir zuerst geliebt worden sind. Als Luther diese unermessliche Dimension der Liebe Gottes entdeckte, schrieb er, "dass ER uns zuerst geliebt hat, ohn' all unser Verdienst und Würdigkeit".
Gottes Liebe in Jesus Christus kommt uns nicht entgegen, weil wir liebenswert, sondern weil wir liebenswürdig sind. Ohne tiefe Zuneigung Gottes können wir uns nicht entfalten, bleibt unser Leben an der Oberfläche. Gottes Liebe aber macht uns liebenswert.
Wer das einmal begriffen hat, nimmt sich selbst nicht mehr so wichtig. Er muss keine Ellbogen gebrauchen, um sich durchzusetzen. Die Liebe Christi befähigt ihn, sich selbst und seinen Nächsten zu lieben.
Manfred Böttcher
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.