Andacht vom 21.12.2012:
Schmecket und sehet, wie freundlich der HERR ist. Wohl dem, der auf ihn trauet! Psalm 34,9
Seine Welt waren Bücher und Musik. Er konnte 12.000 Bände auswendig, dazu Tausende Musikstücke nachsummen, darunter ganze Symphonien. Am 21. Dezember 2009 ist der Autist Kim Peek im Alter von 58 Jahren an einem Herzanfall gestorben.
Gemessen an seinem Intelligenzquotienten von 70 war er als Idiot einzustufen - allerdings einer mit "Inselbegabungen". Wenn er ein Buch las, hielt er es vor sein Gesicht. Das linke Auge erfasste die linken, das rechte die rechten Seiten. Pro Doppelseite benötigte er acht Sekunden Lesezeit, dann war der Inhalt unwiderruflich gespeichert. Diese erstaunliche Fähigkeit verdankte er einem Defekt im Gehirn. Das Kleinhirn war stark geschädigt, und zwischen den beiden Hälften des Großhirns bestand so gut wie keine Verbindung. Dafür arbeiteten Hirnregionen, die sonst weitgehend ungenutzt bleiben.
Die linke Gehirnhälfte ist hauptsächlich für rationales Denken (Logik und Wörter) sowie für analytische und mathematische Denkvorgänge verantwortlich. Die rechte Gehirnhälfte steuert Intuition, Kreativität und Gefühle. Kim Peek konnte erstaunliche Leistungen auf den Gebieten der linken Gehirnhälfte vollbringen, und obwohl er durchaus soziale Kompetenz besaß, hatte seine Gefühlswelt nur wenig Bezug zur Lebensrealität.
Sein Schicksal erinnert daran, dass wir Menschen - von Gott so gewollt - mit Verstand und Emotionen ausgestattet sind, und dass das Zusammenwirken der beiden Sphären uns erst lebenstüchtig macht. Kim Peek kam zeitlebens nicht ohne Hilfe zurecht.
Auch in unserem geistlichen Leben ist sowohl die Seite des Erkennens, Verstehens und Denkens als auch die Seite der Erfahrung, des Empfindens und der Inspiration einbezogen. Wer nur Bibelwissen vermehrt, wird irgendwann zum geistlichen Autisten. Wer sich nur seinen religiösen Gefühlen hingibt, verfällt leicht der Schwärmerei. Nicht umsonst besagt unser heutiger Bibeltext, dass die Gotteserfahrung auf zwei miteinander verbundenen Wegen geschieht: Schmecken (die Ebene der Empfindungen) und sehen (die Ebene des Erkennens).
Beim Abendmahl erfahren wir beides: Wir hören die Erlösungsbotschaft und schmecken das Brot und den Wein. So prägt sich besser ein, was in unserem Leben wirklich zählt: sich Gott ganz und gar anzuvertrauen. "Wohl dem, der auf ihn trauet!"
Thomas Lobitz
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.