Andacht vom 03.08.2013:
Es soll ein und dasselbe Recht unter euch sein für den Fremdling wie für den Einheimischen; ich bin der HERR, euer Gott. 3. Mose 24,22
Familie Cingöz kommt aus Kurdistan. Der Kleinste ist mächtig gewachsen und wird von seinen drei Schwestern verwöhnt. Zwei Brüder hat er auch noch. Da ist ganz schön was los. Unsere Wohnanlage ist so etwas wie ein internationales Dorf. Armenien, Iran, Italien, Russland natürlich, aber auch Japan, Sri Lanka und die USA sind vertreten. Jeden Sommer feiern alle zusammen ein großes Grillfest. Es gibt ein Buffet mit herrlichen Leckereien, und erst wenn der Nachbar aus der Ukraine seine Slibowitzflasche (einen Obstbrand) herausholt, wissen wir: Jetzt wird es Zeit zu gehen. Dennoch freuen wir uns jedes Jahr auf dieses internationale Fest. Es ist spannend, etwas mehr über die Nachbarn aus den unterschiedlichen Kulturen zu erfahren, die für uns längst keine "Fremdlinge" mehr sind.
Wie fühlt es sich an, ein "Fremdling" zu sein? Das Empfinden, irgendwo fremd zu sein, die Sprache nicht zu verstehen, sich nicht auszukennen, kann einsam, unsicher und ängstlich machen und im Extremfall entweder zum Rückzug oder zu Konflikten und Aggressionen führen. Es ist ein schwieriges Thema, das "Fremdlings"-Thema, und Beiträge wie das Werk Deutschland schafft sich ab von Thilo Sarrazin sind gewiss nicht hilfreich.
Können wir uns überhaupt vorstellen, wie sich "Fremdlinge" aus anderen Kulturen, aus anderen Ländern, aus anderen Religionen und Konfessionen in unserem Land, in unserer Umgebung, in unserer Kirchengemeinde fühlen? Was erleben sie bei uns und von uns? Akzeptanz und Gleichbehandlung, wie unser Text fordert, oder Unverständnis und Ablehnung?
Gottes Gemeinde zeichnet sich dadurch aus, dass sie Unterschiede aller Art überwindet. Jeder Einzelne ist gleich wertvoll für Gott. Vielfalt braucht nicht bewertet und eingeordnet zu werden; sie darf einfach da sein, ohne sich erklären zu müssen. Wir müssen nicht alles gut finden, auch nicht alles verstehen, und sollten auch fragen: Warum gibt es in anderen Kulturen andere Traditionen und Vorstellungen? Wo kommen sie her? Welchen Sinn haben sie? Dann wird das "Fremde" spannend und bereichernd, und wir sind auch in der Lage, die eigenen Gepflogenheiten zu hinterfragen.
Fremdling oder Einheimischer Gott macht keinen Unterschied, alle sind ihm willkommen!
Heidemarie Klingeberg
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.