Andacht vom 22.10.2005:
Sinn im Leid
Nun freue ich mich in den Leiden, die ich für euch leide, und erstatte an meinem Fleisch, was an den Leiden Christi noch fehlt, für seinen Leib, das ist die Gemeinde. Kolosser 1,24
Das sind Worte eines Leidenden. Paulus schreibt aus dem Kerker in Rom. Die Christen in Kolossä stehen in der Gefahr, in ihrem Glauben an Gott unsicher zu werden. Denn wieder und wieder beten sie zu dem Herrn, er möge den Apostel, ihren Apostel, befreien! Warum hilft Gott nicht? Am Leid kann Glaube zerbrechen.
Es ist kaum zu fassen, dass Paulus, der schon so viel durchgemacht hat, schreibt: "Ich freue mich in den Leiden." Dass es sich um eine im Gebet schwer errungene Freude handelt, zeigt der Hilferuf des Paulus am Schluss des Briefes: "Gedenkt meiner Fesseln!"
Paulus hat innere Kraft, weil er in seinem Leid einen Sinn, ja eine Aufgabe sieht. Doch welchen Sinn, welche Aufgabe? Die Botschaft des Apostels ist ungewöhnlich, aber klar: Ich leide für die Gemeinde, nicht allein als Vorbild und ermutigende Glaubenshilfe, mehr noch, was ich jetzt leide, bleibt vielleicht anderen erspart. Leidübemahme, das ist's, mit einem Wort gesagt. Zwar ist Paulus überzeugt, dass uns Jesus Christus mit seinem Tod am Kreuz ein für alle Mal Vergebung unserer Schuld erworben und uns damit gerettet hat. Wir können da nichts hinzuzufügen. Aber die Gemeinde ist der Leib Jesu, also in gewisser Weise der in dieser Welt fortlebende und fortwirkende Christus. Darum gibt es auch ein Mitleiden der Gemeinde mit Jesus.
Gemeinschaft mit Christus bedeutet nicht nur Freuden-, sondern auch Leidensgemeinschaft. Der Gemeinde ist ein Leidensmaß auferlegt. Jedes Leid hat irgendwie mit unserem Glauben zu tun, stärkt oder gefährdet den Glauben. Insofern ist es für Paulus eine Freude, etwas von dem Leid abtragen zu können.
Was für ein großer Trost, dass Gott das Böse, auch das Leid nicht zuließe, wenn daraus am Ende nicht etwas Gutes käme!
Dieter Leutert
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.