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Verfasser: Dorothy Eaton Watts
Erschienen in:Top Life Magazin 1 / 2008

Brücken bauen

Der Umgang mit unseren erwachsenen Kindern

Stellen Sie sich vor, Sie und Ihre Kinder leben verstreut auf verschiedenen Inseln. Es gibt keine Telefon- oder Fährverbindungen. Um mit ihnen Kontakt haben zu können, müssen Sie Brücken bauen, die diese Inseln miteinander verbinden. In diesem Sinne sind wir alle Inseln in einem Meer der Menschheit. Kommunikation ist die Brücke, die wir bauen, um mit dem Anderen, aber besonders auch mit unseren Kindern in Verbindung zu treten. Diese ruht auf vier wichtigen Pfeilern:

Liebevolles Zuhören

Zuhören ist eine Form der Liebe, die wir unseren erwachsenen Kindern zeigen können. Die meisten von uns sind keine guten Zuhörer. Wenn uns unsere Kinder etwas erzählen, denken wir oft an unsere eigene Geschichte, die wir erzählen wollen, oder schon an die Antwort, die wir geben werden. Es wurden schon viele Bücher über das Zuhören geschrieben. Die vielen Ratschläge kann man gut auf drei Grundsätze reduzieren:

1. Verwende die Körpersprache eines Zuhörers

2. Verwende offene Fragen

3. Höre nachdenklich zu

Körpersprache

Experten haben festgestellt, dass 90% unserer Kommunikation durch die Körpersprache erfolgt. Wir sprechen oft von einer Sache, meinen aber in Wirklichkeit etwas anderes - und unsere Körpersprache macht das deutlich. Ein guter Zuhörer betrachtet die sprechende Person geradeaus, Schulter zu Schulter und Gesicht zu Gesicht. Er hat eine offene Körperhaltung mit nicht gekreuzten Armen und Beinen. Er beugt sich zu dem Sprecher etwas vor und hält Augenkontakt.

Das Experiment

Allen Ivey und John Hinkle, Professoren der Psychologie, führten ein Experiment durch, um zu zeigen, wie wichtig es ist, Aufmerksamkeit zu schenken. Sie trainierten zur Vorbereitung sechs Studenten in der Körpersprache des Zuhörens. Dann filmten sie eine Unterrichtsstunde dieser sechs Studenten, während sie einem Sprecher zuhörten. Der Sprecher wusste nichts davon. Seine Studenten saßen mit gekreuzten Armen und Beinen vor ihm und ließen ihre Blicke im Raum schweifen. Der Dozent fing an seine Notizen abzulesen. Seine Sprache war monoton. Er verwendete keine Gesten und wendete den Studenten wenig Aufmerksamkeit zu. Kurz gesagt: Es war richtig langweilig!

Bei einem bestimmten Signal änderten die Studenten ihre Haltung, sie lehnten sich auf ihrem Stuhl vor und fixierten die Augen des Sprechers. Innerhalb von dreißig Sekunden bewegte dieser seine Hand zum ersten Mal. Seine Stimme wurde vibrierend, lebhaft und herzlich. Auch er schaute nun die Studenten an. Er wurde lebendig und interessant! Dieser plötzliche Umschwung wurde nur durch das Zeigen von Aufmerksamkeit seitens der Studenten ausgelöst! (Robert Bolton, People‘s Skills, S. 33, 34).

Ein anderer wichtiger Punkt in der Körpersprache des Zuhörens ist die Augenhöhe. Wenn Sie während des Sprechens über Ihrem Sohn oder Ihrer Tochter stehen, dann signalisieren Sie Autorität und geben zu verstehen, dass Sie Kontrolle ausüben möchten. Wenn Sie eine wirkliche Beziehung herstellen wollen, eine Beziehung unter Freunden, dann begeben Sie sich auf dieselbe Augenhöhe. Eltern, die durch die Körpersprache des Zuhörens Interesse an ihren Kindern zeigen, haben schon einen großen Teil der Brücke der Liebe gebaut.

Offene Fragen

Offene Fragen erreichen mehr als "geschlossene". Letztere fragen nach Fakten. Es gibt nur eine richtige Antwort. Sie beenden das Gespräch. Zu viele solcher Fragen geben den Kindern das Gefühl, dass Mutter und Vater sie einem Verhör unterziehen. Sie verschließen sich.

Bei offenen Fragen geht es um Gründe, Meinungen, Gedanken, Gefühle und Erklärungen. Sie erlauben es der anderen Person, sich in der Art auszudrücken, wie sie es wünscht. Offene Fragen sind nicht einengend und bedrohend. Sie vermitteln Ihren erwachsenen Kindern, dass Sie ihre Meinung schätzen und sie nicht einfach nur richten wollen. Sie sind wirklich daran interessiert, was sie zu sagen haben.

Nachdenkliches Zuhören

Ihr Kind möchte Ihnen bei einem Besuch etwas sagen. Es wählt Worte aus und verschlüsselt die Botschaft. Sie müssen nun herausfinden, was wirklich gemeint ist; was das Kind mit seinen Worten mitteilen möchte. Manchmal ist die Botschaft eine ganz andere, als die Worte es vermuten lassen.

Fragen Sie nach, um sicherzugehen, dass Sie die Mitteilung korrekt empfangen haben. Damit signalisieren Sie auch, dass Ihnen am Gegenüber etwas liegt. Eltern, die Brücken der Liebe bauen wollen, werden aufmerksam sein – nicht nur den Worten, sondern auch den Gefühlen gegenüber, die hinter den Worten stehen. Liebe nimmt sich die Zeit, um zu überprüfen, ob die erhaltene Botschaft auch wirklich jene ist, die abgegeben wurde.

Sperren überwinden

Kaum war Susanne mit ihrer Familie durch die Tür eingetreten, als ihre Mutter schon eine Bemerkung darüber machte, wie sie und ihre Kinder schon wieder angezogen seien. Machte die Tochter eine Bemerkung über etwas, erwiderte ihr Vater: "Kind, das ist aber keine Art, so zu sprechen! Du solltest es besser wissen!"

"Ich kann hier überhaupt nichts recht machen", meinte Susanne. Bevor noch jemand wusste, warum, war die ganze Familie verstimmt und Susanne packte ihre Familie ins Auto und fuhr wieder nach Hause. Die Eltern hatten ein schlechtes Gefühl und fragten sich, was schon wieder schief gelaufen sei. Sie hatten vorgehabt, eine schöne Zeit gemeinsam mit der Familie zu verbringen.

Sperren sind Ausdrücke, die wir verwenden, wenn wir das Beziehungsgespräch nicht akzeptieren. Es sind Worte, die wir verwenden, um unseren Wunsch auszudrücken, dass sich jemand anderer ändern muss und anders denken, fühlen und handeln sollte. Es gibt grundsätzlich drei solcher Hindernisse:

1. Richten

2. Ständig Lösungen vorschlagen

3. Den Sorgen des anderen ausweichen

Richten

Richten bedeutet Blockaden wie: Kritik, Diagnosen stellen, abstempeln, Schuld zuweisen und beschämen.

Die durch das Richten entstandenen Blockaden geben einer Person das Gefühl, nicht angenommen zu sein. Eltern müssen diese Sperren niederreißen, wenn sie in Liebe mit ihren erwachsenen Kindern kommunizieren wollen. Schon Jesus sagte: "Richtet nicht" (Matth. 7, 1).

Ständig Lösungen vorschlagen

Eltern sind ganz besonders gut auf diesem Gebiet. Diese Blockade heißt: Befehle geben, anschaffen, verlangen, drohen, predigen, ausfragen und ungefragt Ratschläge erteilen.

Diese Blockade verursacht Widerstand und Ablehnung in unseren erwachsenen Kindern, denn Sie lassen durchklingen, dass das Urteilsvermögen Ihrer Kinder unzuverlässig ist. Durch solche Blockaden fühlen sich Ihre erwachsenen Kinder wert- und hilflos.

Den Anliegen und Sorgen der anderen auszuweichen.

Wir weichen den Anliegen der anderen aus, wenn wir ablenken, zerstreuen, diskutieren und beruhigen.

Mit all dem versuchen wir zu erreichen, dass sich unsere Kinder nicht mehr schlecht fühlen. Wir wechseln das Thema oder erzählen ihnen, dass es wirklich nicht so schlimm sei, wie sie denken. Sie würden sich besser fühlen, wenn sie eine Nacht gut schliefen. Die Verwendung dieser Art von Blockade drückt unseren Wunsch aus, sich von dem Schmerz unserer Kinder zurückzuziehen.

Ein Beispiel dazu: Marlene ruft ihre Mutter an und erzählt ihr, dass sie in der Schule, in der sie unterrichtet, einen schlechten Tag gehabt habe. "Es war furchtbar, Mutter. Ich werde das Lehren aufgeben. Ich hatte einen schrecklichen Tag. Ich bin eine furchtbare Lehrerin." "Hör auf, so zu reden, Marlene", sagt die Mutter. "Du bist eine gute Lehrerin und du weißt es!" "Nein, das bin ich nicht", sagt Marlene. "Ich habe eine schlechte Arbeit gemacht!" "Es ist nicht so schlimm, wie du denkst", erwiderte die Mutter. "Du wirst dich nach einer guten Nachtruhe wieder viel besser fühlen. Liebling, ich glaube, das Problem ist, dass du zu lange am Abend aufbleibst und fernsiehst. Du weißt, dass du dich ausruhen musst. Ich weiß nicht, wie oft ich dir das schon gesagt habe!" "Oh, Mutter, du verstehst das nicht!" Marlene ist ganz unglücklich. Sie schmeißt den Hörer auf die Gabel.

Die Mutter wundert sich, was sie nun schon wieder falsch gemacht habe. Sie wollte ja nur, dass sich Marlene besser fühlt. Sie erkannte aber nicht, dass sie eine Reihe von Blockaden aufgerichtet und die Verständigung unterbrochen hatte. Marlene fühlte sich nun noch unwichtiger als vorher. Sie ging zu Bett und weinte. "Warum kann mich Mutter nicht wenigstens einmal verstehen!", dachte sie. "Es hat gar keinen Sinn, mit ihr zu sprechen!"

Mitgefühl

Liebe und echtes Mitgefühl werden unsere "Schichten" von Stolz abtragen und uns nahbarer machen. Wir werden unseren Kindern gegenüber verwundbar werden und gewillt sein, unsere Menschlichkeit zu zeigen. Wir müssen sie wissen lassen, dass wir nicht perfekt sind; dass auch wir mit Versuchungen und Problemen zu kämpfen haben. Manchmal müssen wir zugeben, dass wir etwas falsch gemacht haben. Nur wenn wir offen und ehrlich sind, können wir eine Brücke der Verständigung mit unseren erwachsenen Kindern aufbauen.

Chuck Swindoll stand unter Stress, weil er so viele Dinge tun sollte und nicht genug Zeit dafür hatte. Er war schlecht gelaunt und am Frühstückstisch nervös. Eines der Kinder widersprach ihm. Ärgerliche Worte wurden gewechselt – vom Vater zum Kind und wieder zurück vom Kind zum Vater.

Seine Frau Cynthia runzelte ihre Stirn. Jetzt wechselten seine zornigen Angriffe die Richtung. Diesmal war Cynthia das Ziel. Die Kinder hörten auf zu essen und beobachteten mit großen Augen, wie ihr Vater die Mutter beschimpfte. Kurt, der älteste Sohn, hielt es nicht mehr länger aus. Er warf die Serviette hin und ging hinaus und schlug die Tür hinter sich zu.

"Was ist los mit mir?", fragte sich Chuck. Er sah sich um und betrachtete seine Familie. Alle waren den Tränen nahe.

Chuck verließ an diesem Morgen den Tisch mit einem Plan. Er stornierte alle Verabredungen für das Wochenende und plante einen Nachmittag mit seiner Familie. Nur Kurt konnte nicht dabei sein, weil er bei der Arbeit war.

Sie saßen im Kreis auf dem Boden und Chuck gab seine Sünden vom Morgen zu. Es gab Tränen reihum und andere Beichten und Geständnisse. Als sie fertig waren, waren die Beziehungen wiederhergestellt und alle fühlten sich glücklich. Nach der Familienkonferenz nahm Chuck die ganze Familie mit in das Bürogebäude, in dem Kurt arbeitete. "Ich hatte so einen schweren Tag", sagte Kurt. Chuck bemerkte, dass seinem Sohn Tränen in die Augen stiegen. "Es tut mir so leid, Kurt", sagte Chuck und spürte selbst einen Druck in der Kehle. "Es tut mir so leid, dass ich an diesem Morgen so ungeduldig war."

Sie sprachen gemeinsam über das Problem. Dann halfen sie alle mit, Kurts Arbeit zu beenden. Später gingen sie in ein Restaurant und feierten die Wiederherstellung der Freundschaft in ihrem Heim.

Diesen Abend ging Chuck Swindoll als glücklicher Mann zu Bett, denn es war ihm möglich gewesen, die Beziehungsbrücke zwischen ihm und seinen Kindern wieder zu reparieren. (Paul Lewis und Dave Toht, "Berühmte Väter", S 17-29

Ermutigung

Worte der Wertschätzung sind die wirkungsvollste Art, jemanden zu ermutigen. Sie haben eine ungeheure Macht. Ein Wort, zur rechten Zeit gesprochen, kann das ganze Leben einer Person ändern.

Tony Campolo erinnert sich an seine Mutter, die sehr aufbauend und ermutigend war. Er schreibt: "Meine Mutter hatte eine besondere Art, meine Verfehlungen zu verkleinern und meine Erfolge hervorzuheben. ... Ich kann mich nicht erinnern, dass sie je sagte: Das hättest du besser machen können. Stattdessen gab sie mir immer das Gefühl, ich hätte mehr getan, als von mir erwartet wurde.

Jeden Tag, wenn ich das Haus verließ, war das Erste, was sie mir sagte: Denke daran, du kannst mit Jesus über Mauern springen. Meine Mutter vermittelte mir immer das Gefühl, etwas Besonderes zu sein. Sie gab mir das Gefühl, ich könnte große Dinge tun. Sie überzeugte mich, dass alle Grenzen meiner Herkunft überwunden werden könnten." ("Was meine Eltern richtig machten", Gloria Gaither, Hrsg. S. 37)

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