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Verfasser: Dorothy Eaton Watts
Erschienen in:Top Life Magazin 2 / 2008

Was Vergeben wirklich ist

Gedanken über Vergebung

fotolia
Ein alter Bauer hatte mit seinem Nachbarn 30 Jahre lang über die Platzierung der Zäune gekämpft. Aufgrund dieses Streites wollte keiner von beiden die Zäune reparieren.

Auf seinem Totenbett wollte der alte Mann die Sache in Ordnung bringen. Er rief seine Frau und sagte: "Bitte sage Abner, dass ich sterbe und mit ihm sprechen möchte."

Kurz darauf war sie mit dem Nachbarn Abner da. Der alte Mann zitterte, als er sprach: "Abner, du und ich waren Feinde wegen dieses Zauns, nahezu 30 Jahre lang. Ich habe viele schlimme Dinge über dich gesagt, und ich möchte dir sagen, es tut mir leid. Ich möchte einfach nur dein Freund sein, bevor ich sterbe. Willst du mir vergeben?" "Natürlich“, sagte Abner mit Tränen in den Augen. „Ich denke, auch ich habe viele schlimme Dinge über dich gesagt in den letzen 30 Jahren. Ja, es ist Zeit, dass wir Freunde werden." Nach einem ernsthaften Händeschütteln hob der kranke Mann den Finger und sagte zu Abner: "Aber eines sage ich dir, Abner: Falls ich gesund werde, kannst du alles, was wir jetzt gesprochen haben, vergessen; denn ich habe Recht bezüglich des Zaunes!" (Cecil G. Osborne, „Wie man mit Menschen umgeht“)

Nachbarn erleben schlimme Zeiten, wenn es darum geht, Zäune zu reparieren. Aber wenn die Wahrheit herauskommen würde, schaut es bei vielen Familien noch schlimmer aus. Kränkungen, Ungerechtigkeiten, verletzte Gefühle und Missverständnisse häufen sich im Laufe der Jahre auf beiden Seiten des Zaunes. Je älter wir werden, desto lieber möchten wir diese Zäune reparieren, aber es scheint immer schwieriger zu werden – auch in der Beziehung zu den Kindern.

Warum sollen wir vergeben?

    1. Weil Gott uns gebietet zu vergeben! "Seid freundlich und mitfühlend zueinander. Vergebt einander, genau, wie Gott uns in Christus vergeben hat." Epheser 4, 32 "Denn wenn du deinen Mitmenschen ihre Fehler vergibst, wird auch dein himmlischer Vater dir vergeben; aber wenn du deinen Mitmenschen ihre Fehler nicht vergibst, wird auch dein Vater deine Übertretungen nicht vergeben." Matthäus 6, 14. 15

    2. Weil Vergebung der einzige Weg ist, um Verletzungen zu heilen. "Vergebung ist der einzige Weg, den wir haben, zu einer besseren Fairness in einer unfairen Welt; es ist der unerwartete Umschwung durch die Liebe gegen unfairen Schmerz, und nur sie allein bietet starke Hoffnung auf Heilung der Verletzungen, die wir so unfair empfinden." Lewis B. Smedes, "Vergib und Vergiss: Heilung der Wunden, die wir nicht verdienen", S. 160

Die giftige Schlange

Stellen wir uns für einen Moment vor, dass auf einem Campingausflug eine giftige Schlange in meinen Schlafsack kriecht und mich beißt. Und dann nimm an, dass, nachdem ich meine Wunde versorgt habe, ich mich auf die Suche nach der Schlange mache und sie fange. Ich nehme sie mit nach Hause und halte sie als Haustier. Immer wieder nehme ich sie heraus und spiele mit ihr und lasse sie mich wieder beißen. Was würdest du von mir denken?

Aber das ist genau das, was einige Menschen mit der „Viper der unfairen Behandlung“ machen. Anstatt sie zu zerstören, bewahren sie sie auf, damit sie andere damit verletzen können. Durch Vergebung werden wir diese Viper los, die uns immer wieder verletzt.

Smedes fährt fort: "Dein eigenes Gedächtnis ist eine Wiederholung der Verletzung - ein Videoband innerhalb deiner Seele, das immer wieder deine alte Begegnung mit dem Schmerz abspielt. Du kannst es nicht abschalten. Du bist darin gefangen wie ein Schmerz-Junkie; du wirst abhängig von der Erinnerung des vergangenen Schmerzes. Es tut dir immer wieder weh, wenn deine Erinnerung dieses Band abspielt. Der einzige Weg, diesen Schmerz zu heilen, der nicht von selbst heilen kann, ist: Der Person zu vergeben, die dich verletzt hat. Vergebung stoppt das Wiederabspulen des Schmerzes. Vergebung heilt deine Erinnerung, weil sie deine Erinnerungs-Vorstellung verändert. Wenn du den, der falsch gehandelt hat, vom falschen Tun lostrennst, dann schneidest du einen bösartigen Tumor aus deinem Inneren. Du setzt einen Gefangenen frei, aber du bemerkst, dass der wirkliche Gefangene du selbst warst.“ „Vergib und Vergiss", S. 170

Was Vergebung NICHT ist.

Vergebung ist NICHT leicht. Sie ist in der Tat eines der schwierigsten Dinge, die wir jemals tun.

Vergebung bedeutet NICHT, dass wir über die schlechte Sache, die uns jemand angetan hat, Freude empfinden. Laut Lewis B. Smedes gibt es vier Stadien: Verletzung, Hass, Heilung und Zusammenkommen. Wenn du deine Verletzung anerkennst, ist das der erste Schritt in Richtung Vergebung.

Vergebung ist NICHT das Verleugnen von Gefühlen wie Zorn und Hass. Sie bedeutet vielmehr, diesen Gefühlen ins Auge zu schauen. Sie ist eine Entscheidung für die Liebe. Sie bedeutet aber auch, dass diese schlechten Gefühle zurückkommen können; du musst dir immer wieder vergeben. Du musst in dir selbst Vertrauen aufbauen, wie auch den anderen Menschen die Gelegenheit geben, die Beziehung zu dir auf Vertrauen aufzubauen.

Vergebung bedeutet NICHT, Ausreden für jemanden zu finden. Wir entschuldigen Menschen, wenn wir verstehen, dass sie nicht zur Verantwortung zu ziehen sind. Vergebung ist notwendig, wenn wir jemanden für das, was passiert ist verantwortlich machen können. Vergebung hält die Person verantwortlich, aber sie bedeutet das Löschen der Vorkommnisse durch eine entsprechende Entscheidung.

Vergebung ist NICHT vergessen. Wir vergessen kleine Verletzungen, die zu geringfügig sind, als dass man sich daran erinnerte. Wenn du eine Verletzung nicht vergessen kannst, dann ist die Notwendigkeit zur Vergebung gegeben. Verletzungen, an die wir uns erinnern, sind wie aufbewahrter Schmerz. Vergebung ist der Weg, wie wir diesen Schmerz loswerden. Vergebung ist auch ein Prozess – vielleicht können wir immer nur einen kleinen Teil davon behandeln. Wir müssen auch unseren eigenen Anteil in der zusammengebrochenen Beziehung betrachten, unsere Fehler anerkennen, sie zugeben und die Konsequenzen akzeptieren, die sich daraus ergeben, und Gerechtigkeit suchen.

Vergebung ist NICHT ein Gefühl. Vergebung ist eine Wahl, die wir treffen, nämlich eine Person als Freund zu behandeln – selbst, wenn wir das nicht gerne tun. Sie ist die Wahl, die wir treffen: einer anderen Person eine Verletzung nicht mehr vorzuhalten. Sie ist das Auslöschen einer aufgezeichneten Sünde. Vergebung ist NICHT etwas, was wir tun können. Vergebung ist ein Geschenk Gottes. Sie ist ein "herausragender, unmöglicher Akt". Sie ist etwas, was wir nicht ohne die Kraft Gottes tun können. Lewis B. Smedes, "Vergib und Vergiss"

Was Vergebung ist.

Vergebung bedeutet, jemand anderen aus deinem persönlichen Gericht zu entlassen. In ihrem Buch „Something More“ sagt Catherine Marschall, dass Vergebung geschieht, wenn man jemand anderen aus seinem persönlichen Gericht entlässt. Wenn man mit der persönlichen Beurteilung eines Menschen Schluss macht, heißt das nicht, dass man dem, was er sagt oder tut, zustimmt. Es bedeutet nur, dass du dich nicht zum Richter machen willst. Du willst nicht einen Schuldspruch über ihn sprechen.

Vergebung bedeutet: Ich spiele nicht Gott bezüglich einer Person. Die Bibel sagt: "Es liegt an mir zu rächen; Ich werde zurückzahlen", sagt der Herr. (Römer 12, 19) Weil er sich darum kümmern wird, muss ich es nicht tun. Vergebung befreit die Menschen von dem persönlichen Richtspruch.

Vergebung bedeutet, sich selbst etwas Gutes tun. "Wenn wir einem Kind, das uns verletzt hat, Vergebung anbieten und erhalten, wenden wir unsere Aufmerksamkeit von dem Schmerz weg und dem Leben zu. Wir befreien unsere Gedanken von dem Stachel, immer und immer wieder über das Ereignis nachzudenken. Wir lösen uns von verletzten Erinnerungen, die die Wunde immer nur vertiefen können. Jemandem zu vergeben ist ein Akt der Liebe an uns selbst. Wenn der andere in diesem Prozess frei ist, soll es so sein. Er ist noch immer verantwortlich für das, was er getan hat. Er hat sich noch immer vor Gott zu verantworten." Karen O`Connor, "Wiederherstellung der Beziehung mit den erwachsenen Kindern", S. 173

Vergebung ist eine Entscheidung. Wir müssen die Vergebung nicht fühlen, damit sie gültig ist. Es genügt, wenn wir uns entscheiden zu vergeben. Das Gefühl wird folgen. Aber dass wir uns gut fühlen, ist nicht das einzige Ergebnis, auf das wir hinarbeiten sollen. Jene, die vergeben, haben ein größeres Ziel. Sie freuen sich auf die Wiederherstellung der Beziehung. ebd "Eines unserer größten Hindernisse zu lieben ist unser Versagen loszulassen und zu vergeben. Wenn wir an unserer Bitterkeit festhalten, vergiftet das unsere Gesundheit und hindert uns, die Menschen jetzt in der Gegenwart zu lieben. Eine der größten Möglichkeiten, die dich befreien können um Liebe zu empfangen und zu geben - und zwar hier und jetzt - ist, vergangene Verletzungen zu vergeben. Das griechische Wort für vergeben ist: loslassen." Edie Ensley, "Gebete, die unsere Gefühle heilen", S. 23, 24

Vergebung heißt die Zukunft betrachten und nicht die Vergangenheit. "Wenn du Vergebung gibst und empfängst, so konzen­triere dich auf die Wiederherstellung der Beziehung, auf das Zusammenkommen und darauf, das Vergangene vergangen sein zu lassen. Vergebung bedeutet nicht, dass man die Aufzeichnungen richtigstellt. Es bedeutet, emotionale Last, Schuld, Scham und das Gefühl, Recht zu haben, hinter sich zu lassen."

"Wenn es dir mit deinem Wunsch ernst ist, dir selbst und anderen zu vergeben, wirst du keine Zeit damit verlieren, frühere Gespräche neu zu konstruieren, Erklärungen deiner Position zu geben, Anklagen und Gegenanklagen aufzustellen oder Verantwortung auszuteilen dafür, wer, was, wann und wo gesagt hat. Die Versuche, vergangenen Kummer wieder auferstehen zu lassen, erweitern oftmals die Kluft zwischen Menschen, statt sie zu schließen. Konzentriere dich auf die Beziehung und deinen Wunsch, sie wiederherzustellen. Lass den Rest den Herrn machen." Karen O`Connor, "Wiederherstellung der Beziehung mit den erwachsenen Kindern", S. 173

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