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Verfasser: Pierre Intering

Durch Gottes Gnade

Ein Interview mit dem ehemaligen Bordellbetreiber Maximillian Jantscher

Wir sitzen uns in dem von der Sonne durchfluteten Atelier gemütlich auf breiten Korbsesseln gegenüber. Exotische Pflanzen, die Staffel und alle möglichen technischen und künstlerischen Utensilien schaffen eine angenehme und Neugier erweckende Atmosphäre.

Maximilian Jantscher jun. lebt mit seiner Frau Josefina nicht allzu weit entfernt von Graz, der zweitgrößten Stadt Österreichs. Hier malt der freischaffende Künstler seit einigen Jahren seine Eindrücke auf die Leinwand. Auch wenn seine Bilder, die in verschiedenen Ausstellungen schon bewundert werden konnten, keinen akademischen Anspruch erheben, faszinieren sie doch den Betrachter. Kennt man ihre Entstehungsgeschichte und Bedeutung, weiß man, dass man es hier nicht mit einem verspielten, auf sich bezogenen Künstler zu tun hat. Besonders auffallend bei etlichen seiner Werke ist der biblische Bezug. Maximilian Jantscher (geb. am 10.11.1966) wuchs als eines von vier Kindern in eher ärmlichen Verhältnissen in der Weststeiermark auf. "An Geld fehlte es ständig, und so mussten wir auf manches, was andere Kinder hatten, verzichten. Zum Duschen verwendeten wir den Abfluss der Dachrinne. Wir mussten nur warten, bis es regnete, ansonsten tat es eine Waschschüssel. Trotzdem war es eine schöne und aufregende Kindheit, mitten in einer prachtvollen Natur, die mich immer wieder nachdenklich machte."

Die großen Fragen des Lebens wurden aber allmählich durch die kleineren Fragen nach den eigenen Bedürfnissen verdrängt. Beruflich verschlug es Maximilian Jantscher in den Gastronomiebereich. Nach der erfolgreichen Meisterprüfung übernahm er ein vom Konkurs bedrohtes Bordell, das unter seiner Führung eines der bestflorierenden in der steirischen Hauptstadt wurde. Statt zwei Damen waren nun 35 beschäftigt und aus 1 Stammkunden wurden 500! Der zweifelhafte Erfolg hatte seinen Preis: Abgesehen vom Alkohol und 60 Zigaretten am Tag war nicht nur die gesundheitliche, sondern auch die moralische Zukunft recht fragwürdig.

Die Karriere Jantschers nahm aber zur Verwunderung aller seiner Freunde und Bekannten einen für sie völlig unerwarteten Verlauf. Heute trifft man ihn und seine Familie regelmäßig in Gottesdiensten und Bibelkreisen, als ob es noch nie etwas anderes gegeben hätte.

Tlm: Herr Jantscher, wie haben Sie sich selbst als Bordellbetreiber gesehen?

M. Jantscher: Ich sah mich wegen meiner Bar nie als einen bösen Menschen. Das älteste Gewerbe der Welt (dachte ich) könne man sich nicht mehr wegdenken. Das bestätigten mir auch Beamte der Kriminalabteilung Sitte, die mit Sexualdelikten täglich zu tun hatten. Außerdem zog man die Leute nicht bei den Ohren ins Lokal, sondern sie kamen von selbst. In meinen Augen war es keine Sünde, Geld zu verdienen und Menschen ein wenig Erholung von einer gestressten Welt zu schenken.

Tlm: Was für Menschen kamen zu Ihnen in die Bar und was waren deren Motive?

M. Jantscher: Das waren Menschen aus allen Gesellschaftsschichten, eigentlich ohne Ausnahme. Selbst Pfarrer waren dabei. So verschieden die Menschen, so unterschiedlich waren auch ihre Motive. Die einen wollten nur ihre besonderen sexuellen Neigungen befriedigen. Andere suchten Abwechslung aus einem frustrierten Ehealltag, ohne aber dabei ihr gewohntes soziales Umfeld zu gefährden. Manche lebten völlig über ihre Verhältnisse - nach dem Motto: "Ich lebe nur einmal". Dabei vergaßen sie aber, dass sie am nächsten Tag noch immer am Leben waren und sie dieses doch irgendwie meistern mussten. Einige der Kunden hatten keine Perspektive mehr für ihr Leben und versuchten auf diese Weise, etwas Farbe in ihr Leben zu bringen. Viele Männer sehnten sich nach ein wenig Zärtlichkeit und Anerkennung, die sie sonst nirgends fanden.

Tlm: Wenn man darüber nachdenkt, wird man zwischen Unverständnis und Mitleid hin- und hergerissen. Glück und Zufriedenheit kann man ja nicht kaufen. Wie sah ihr Alltag in der Bar aus? Hatten Sie viele Freunde?

M. Jantscher: Ich hatte echte, aber auch viele scheinbare Freunde. Mein furchtbarster Freund aber war der Alkohol. Obwohl ich zu Hause sehr selten trank, tat ich es umso mehr im Betrieb. Es gab Tage, an denen ich so heftig trank, dass mir am nächsten Tag Stunden fehlten und ich mir erzählen lassen musste, was und wie alles so am Vortag abgelaufen war. Es kam auch vor, dass ich mir öfters den Titel Gottes aneignete, wenn ich im Rausch euphorisch etwas Gutes tat. Es kam aber der Tag, an dem ich zu Gott flehte und ihn bat, wenn es ihn gebe, in mein Leben zu kommen, es zu ändern und es zu führen, da es mir entglitten war.

Tlm: In all den Jahren gab es einen Menschen, der sie liebte und für sie betete.

M. Jantscher: Ja, das war meine Frau. Ich lernte sie 1989 bei einem Urlaub in der Dominikanischen Republik kennen. Sie war schon immer gläubig und gab mich nie auf. Sie betete für mich und obwohl sonst vieles in meinem Leben verkehrt lief, hatten wir eine gute Ehe. Es schien aber eine Zeitlang so zu sein, dass meine Sehnsucht nach Sinn und Erfüllung und die Gebete meiner Frau ohne Wirkung blieben.

Tlm: Sie kamen in Kontakt mit Christen. Hatte das irgendwelche Auswirkungen auf Sie?

M. Jantscher: Obwohl meine Frau eher skeptisch unbekannten Menschen gegenüber war, ließ sie Heribert, einen Buchvertreter des Wegweiser-Verlages, ins Haus. Wir unterhielten uns über mein Lieblingsthema: Außerirdische, Prophetie und Wahrsagerei. Ich kaufte damals einige Bücher und wollte mir, wenn ruhigere Zeiten kämen, alles in Ruhe ansehen.

Tlm: Es kam wohl anders als geplant?

M. Jantscher: Meine Frau machte sich selbstständig und besuchte den Bibelkreis bei unserer neuen Bekanntschaft. Ich wurde immer neugieriger und ließ mich schließlich mit diesem Bibelkreis ein. Es waren nette Leute. Die Art ihrer Freundlichkeit war echt und beeindruckte mich. Mich riss es immer mehr hin und her. Ich fing an, Gott zu erkennen.

Tlm: Trotzdem war es nicht leicht für Sie.

M. Jantscher: Ich hatte Träume, schreckliche Träume. Sie drohten in meiner realen Welt weiterzuleben. In dieser Zeit vertiefte ich mich in alles, was ich so fand: Bibel, Videos, Bücher. Ich flüchtete zum Herrn Jesus, flehte und sprach viel mit ihm, im Gebet. Ich entdeckte ein helles Licht, eine noch nie da gewesene Liebe, die mir meine ständig brennende Sehnsucht stillte und mein Loch im Herzen zu füllen vermochte. Es schien, als würde in meinem Herzen ein Meer rauschen und am Horizont, wo sich dicke graue Wolken zusammenbrauten, langsam die Sonne mit ihren Strahlen durchbrechen. Ja es wurde hell. Doch der Gegenspieler sieht nicht tatenlos zu, wie man sich so verliebt und ... einmal, ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen, ereignete sich etwas Dramatisches. Kurz bevor ich einschlief, würgte mich jemand stark von hinten. Mich peitschte es aus dem Bett, ich stand kerzengerade, mein Herz raste vor Angst so schnell, dass ich fürchtete, ich würde umkippen. Ich setzte mich eine Zeitlang hin und beruhigte mich kaum. Was war geschehen? Ist da jemand? Was will man von mir? Wochenlang hatte ich panische Angst vor der Dunkelheit und konnte nur mit der Bibel als Kopfpolster einschlafen. Langsam begann ich zu begreifen, dass Mächte da sind, von denen ich keine Ahnung hatte, und dass in der unsichtbaren Welt um mich brutalste Kämpfe ausgetragen wurden.

Tlm: Sie haben durch Gott Befreiung erleben dürfen und sich im Juli 2003 mit Ihrer Frau in der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten taufen lassen. Was sagen Ihre Freunde, nachdem Sie sich aus dem Geschäft zurückgezogen haben?

M. Jantscher: Etliche so genannte Freunde halten mich für einen Spinner, doch andere hören mir aufmerksam zu und nehmen mich ernst. Manche wissen, dass der Weg mit Jesus, den ich jetzt gehen darf, der richtige ist, auch wenn sie es nicht für sich selbst realisiert haben.

Tlm: Seit Ihrer Taufe prägen besondere Bibelworte Ihr Leben.

M. Jantscher: Ich erinnere mich an eine Textzeile eines Liedes, das damals bei unserer Taufe gesungen wurde. Dort scheint der Gedanke auf: Die Taufe ist nicht das Ziel, sondern der Beginn. Der Beginn einer sehr langen innigen Beziehung. Die folgende Verse prägen nun mein Leben: "Nicht, dass ich's schon ergriffen habe oder schon vollkommen sei; ich jage ihm aber nach, ob ich's wohl ergreifen könnte, weil ich von Christus Jesus ergriffen bin. Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich aus nach dem, was da vorne ist, und jage nach dem vorgesteckten Ziel, dem Siegespreis der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus." Philipper 3,12.13

Tlm: Herr Jantscher, danke für das Gespräch.

Interview: Pierre Intering

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