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Verfasser: Pierre Intering
Erschienen in:Top Life Aktuell 1703

Zwei Seiten

Es gehört zur guten alten Tradition, Menschen, die Besonderes geleistet haben, zu ehren und, falls sie schon gestorben sind, ihrer zumindest zu gedenken. Sie werden so zu einer Art Meilenstein der Geschichte. Ihr Name bleibt mit bestimmten Ereignissen verbunden, die es mehr oder weniger wert sind, im Gedächtnis zu bleiben. Da kommen mir unweigerlich ein paar Fragen in den Sinn: Wie gut und wie notwendig ist das? Was will man damit erreichen und welche Folgen kann es für den Geehrten und für die Gesellschaft haben? Es gibt dabei, wie so oft, zwei Seiten, die man betrachten kann und sollte.

Wir Menschen brauchen Vorbilder und Erinnerungen an außergewöhnliche Leistungen. Wir tendieren sowieso dazu, das Negative hervorzuheben und darüber zu berichten, es weiterzuerzählen und groß zu machen. Wir werden förmlich von negativen Schlagzeilen erschlagen. Wie gut tut es hingegen, auf Dinge zu schauen, die nützlich, gut und außergewöhnlich wertvoll sind. Es wäre schlimm, wenn all das Gute unserem Kurzeitgedächtnis zum Opfer fiele. Deshalb sind Gedenken wichtig und wertvoll. Daran ändert auch nichts, dass dieser Brauch heute eine Inflation erlebt und immer oberflächlicher wird. Es gibt heute kaum einen Bereich im Leben, wo man nicht eine besondere Auszeichnung bekommen kann - "für besondere Verdienste", die man leistet oder geleistet hat. Warum z.B. mit absurd hohen Geldsummen bezahlte Schauspieler ständig geehrt und mit Preisen überschüttet werden müssen, leuchtet mir nicht ein. Und dass Menschen, die besonders viel verkauft, vermittelt oder was auch immer haben, vor der versammelten Belegschaft besonders geehrt werden, müsste auch nicht sein. Nicht selten sind das nämlich Menschen, die auf ihrer Karriereleiter wenig Rücksicht auf andere genommen haben und charakterlich alles andere als ein Vorbild sind oder waren.

Damit sind wir eigentlich schon bei der anderen Sicht, warum Gedenken und Auszeichnungen auch mit Vorsicht zu genießen sind. Oft, viel zu oft, werden Dinge sehr überhöht dargestellt. Mir kommt manchmal vor, je weiter etwas zurückliegt, desto größer/heldenhafter wird es dargestellt. Würde z.B. so ein Held in unserer Zeit leben, würde er als Extremist heftigst kritisiert werden. Aber ist genug Zeit verstrichen, macht man einen Heiligen daraus, der sogar zwischen Gott und den Menschen vermittelt.

Die Kehrseite des übermäßig betonten Gedenkens hat noch weit mehr kritische Facetten. Lebensberichten bzw. Memoiren sagt man nach, dass sie oft wenig objektiv sind. Je nach Interesse werden nur ganz bestimmte Eigenschaften und Ereignisse besonders hervorgehoben und mit überschwänglichem Lob bedacht. Man könnte meinen, der Geehrte wäre fast ein Halbgott gewesen. Nicht, dass es überragende Persönlichkeiten nicht gab und noch immer gibt, aber oftmals trifft diese heroische Überhöhung überhaupt nicht zu. Da geht es um Menschen, wie dich und mich, mit Fehlern, Schwächen, vielen Fragen, Zweifeln und manchmal ganz schönen Kanten. Ich finde deshalb die biblischen Berichte über verschiedene Personen großartig, weil dort zwar die Taten und Verdienste der gläubigen Menschen erwähnt, aber auch ihr Versagen nicht verschwiegen wird. Angefangen von Zorn, Eigensinn bis hin zu Ehebruch oder sogar Mord bleibt nichts unerwähnt. Schmälert man da nicht das Gute und den Einfluss des "Helden"? Ich denke nicht. Im Gegenteil, man stellt diese vielfältigen Persönlichkeiten mitten unter uns. Die "Helden" waren Menschen wie wir, die sich für eine Sache einsetzten, die es wert war, und die lebensverändernde Auswirkungen hatte. Das heißt nicht, dass sie keine Fehler machten, und sie beglichen mit ihrem Einsatz auch nicht ihre Schuld - nein, niemals. Dafür brauchten sie Vergebung wie wir, und sofern sie ihre Fehler erkannten, litten sie sehr darunter und suchten (hoffentlich) Versöhnung mit Menschen und mit Gott. Manches konnten oder wollten sie vielleicht nicht erkennen und richteten auch Schaden an. Auch dies zu erwähnen, ohne die guten Dinge zu verschweigen, ist nur im biblischen Sinne.

In dieser Ausgabe von Top Life Aktuell geht es besonders um Luther - weniger um seine Person, sondern um das, was ihn drängte und was er Außergewöhnliches in seiner Zeit leistete. Man sollte dies nicht vergessen und sich nicht nur in Jubiläumszeiten daran erinnern. Wenn auch die Schattenseiten von Luther besonders in diesem Jahr zur Sprache kommen, braucht uns das nicht entsetzen und wir sollten keinesfalls Dinge beschwichtigen oder beschönigen, die einem unangenehm sind oder ein schiefes Licht auf ihn werfen. Damit macht man sich nur unglaubwürdig und betreibt ebenso Geschichtsfälschung, wie andere, die man wegen Verzerrung historischer Ereignisse kritisiert. Luther hat Großartiges geleistet. Er stand seinen Mann und ließ sich wohl unter der Führung Gottes auch unter höchster Lebensgefahr nicht von seiner Überzeugung abbringen. Damit trug er ein Stück dazu bei, die Welt zu verändern und das das dunkle Mittelalter dem Ende zuging. Dass er aber manchmal mehr als nur auf einem Auge blind war, ist ebenso wahr. Seine Einstellung gegenüber den Juden war erschreckend. Seine theologischen Begründungen machten dies nur noch schlimmer. Auch über seine Hexen-Predigten können wir heute nur noch den Kopf schütteln. Dies tun wir aber ebenso bei den Glaubensvätern Abraham, Jakob, Elia oder David. Diese Männer der Bibel haben in bestimmten Bereichen des Lebens, nicht nur aus heutiger Sicht, versagt. Und trotzdem haben sie auf anderen Gebieten Großartiges geleistet. Das sollte man anerkennen, dankbar dafür sein, aber gleichzeitig wissen, dass jeder Mensch vor Gott und Menschen schuldig geworden ist und Vergebung braucht. Menschen als alles überragende Helden oder anbetungswürdige Heilige zu verehren, ist nicht angebracht und sogar gefährlich, weil man damit auch Dinge rechtfertigen könnte, für die es keine Rechtfertigung gibt.

Noch etwas: Was ist mit den "einfachen" Menschen, die unbeachtet und meist unbelohnt ihr Leben in den Dienst ihrer Familie und der Gesellschaft stellen? Da geht es nicht um eine besondere, herausragende Tat, sondern um eine beständige Pflichterfüllung (so schrecklich dieses Wort auch in manchen Ohren klingen mag), um eine verlässliche Fürsorge für andere und Aufgaben gegenüber, zu denen man sich verpflichtet fühlt. Wenn dies in geduldiger und möglichst fröhlicher Art geschieht, wird eine Lebensqualität geschaffen, die mit keinem Geld der Welt bezahlt werden kann. Was ist mit den vielen Müttern, die Tag für Tag gewissenhaft und mit Liebe alles geben, damit Kinder und Familie glücklich sein können? Wie wird ihnen gedankt und wie werden sie geehrt? Was ist mit den Vätern, die gewissenhaft für ihre Familien sorgen? Was ist mit den vielen berufstätigen, aber auch den vielen ehrenamtlichen Menschen, die sich für die Gesundheit und das Wohl der Gesellschaft einsetzen? Es gibt so viele Dinge, die es wert sind, näher betrachtet zu werden. Machen wir uns das zur Gewohnheit und helfen dort mit, wo es uns möglich ist.

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