Andacht vom 29.11.2007:
Gott kennen
Spricht zu ihm Philippus: Herr, zeige uns den Vater und es genügt uns. Jesus spricht zu ihm: So lange bin ich bei euch und du kennst mich nicht, Philippus? Wer mich sieht, der sieht den Vater! Wie sprichst du dann: Zeige uns den Vater? Johannes 14,8.9
Ich höre heute noch einen meiner Bibellehrer sagen: "Das Alte Testament ist eine Offenbarung Jesu Christi und das Neue Testament eine Offenbarung des Vaters." (Genau so!) Irgendwie hatten das damals die Jünger Jesu noch nicht so recht verstanden.
Doch wie sieht es heute aus? Können wir sagen: Wir kennen Gott-Vater und wissen über ihn Bescheid? Damit schössen wir weit übers Ziel hinaus. Johannes betonte mehrfach: "Niemand hat Gott je gesehen" (Jo 1,18; 1 Jo 4,12). Und Paulus sagte "Unser Wissen ist Stückwerk" und ebenso alle Erkenntnis (1 Ko 13,9.8).
Wenn wir wissen wollen, wie Gott ist, sind wir darauf angewiesen, dass Gott sich selbst zeigt, sich "offenbart". Und selbst dann ist das mit dem "Kennen" Gottes so eine Sache, denn das liegt außerhalb unseres Fassungsvermögens. Selbst wo sich Gott offenbart, spricht die Bibel durchweg in Worten und Vergleichen, die unserer irdischen Erfahrungs- und Erlebniswelt entlehnt sind. Sie können daher nicht so umfassend sein, um Gott in seiner Wirklichkeit darzustellen. Jedes Bild und jede Vorstellung von ihm bleibt daher fehlerhaft und fragwürdig. Erst wenn wir Gott "von Angesicht zu Angesicht" sehen, und nicht "durch einen Spiegel" (1 Ko 13,12), werden wir besser wissen, wie Gott wirklich ist.
Jesus bestätigte zwar, dass niemand den Vater gesehen habe außer ihm (siehe Jo 8,46), aber er sagte auch: "Wenn ihr mich kennen würdet, würdet ihr auch meinen Vater kennen." (Jo 8,19 GNB). In ihm haben wir das echte Bild des Vaters, nicht bloß ein trübes Abbild, sondern das "Ebenbild seines Wesens" (Hbr 1,3). Und gerade darauf kommt es an. Verschwenden wir also unsere Energie nicht an nutzlose Spekulationen und Diskussionen über die Natur Gottes oder Christi, die nichts als Streit und Uneinigkeit hervorrufen. Im Übrigen: Sie verstummen in dem Maße, wie wir erkennen und erleben, wie Vater und Sohn wirklich sind, wie wunderbar ihr Charakter ist (siehe 2 Mo 34,6). Dann geht es uns ähnlich wie dem Gottesmann Hiob, der bekannte: "Ich hatte von dir nur vom Hörensagen vernommen, nun aber hat mein Auge dich gesehen. Darum spreche ich mich schuldig und tue Buße in Staub und Asche." (Hi 42,5.6). Solche Gotteserkenntnis und solche Demut stünden uns gut an!
Günter Fraatz
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.