Andacht vom 28.09.2014:
Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun. Johannes 15,5
Ein Wahrheitssucher begab sich zu einem Heiligen und fragte ihn: "Sage mir, Weiser, wie du zu einem Heiligen wurdest!" Der Heilige antwortete: "Zwei Worte!" "Was sind die beiden Worte? " Antwort: "Richtige Entscheidungen."
Das faszinierte den Frager und er bohrte weiter: "Und wie lernt man, die richtigen Entscheidungen zu treffen? " Der Heilige: "Ein Wort!" "Nur ein Wort, welches ist das Wort?", suchte der Schüler zu erfahren. "Wachstum", antwortete der Heilige.
"Nur noch eine letzte Frage. "Wie wächst man? " Der Heilige antwortete: "Zwei Worte!" "Bitte, sage mir diese beiden Worte". Antwort: "Falsche Entscheidungen."
Die großen Fragen in unserem Leben - das hatte der Heilige dieser Überlieferung erkannt - lauten: Lernen wir aus unseren Fehlern? Wachsen wir? In vielen Lebensbereichen geht das automatisch. Wer ein Instrument besser beherrschen will, muss üben und das bedeutet, viele Fehler zu machen. Aber es bedeutet eben auch, immer weniger Fehler zu machen! Wer ein besserer Koch werden will, der wird hart daran arbeiten müssen. Und manches Gericht wird den Testern die Tränen in die Augen treiben - aus welchem Grund auch immer.
So sehr diese Wahrheiten uns auch einleuchten, umso hartnäckiger wehren wir uns gegen sie, wenn es um Beziehungen geht. Eine Partnerschaft kann nur dann wachsen, wenn wir aktiv an ihr arbeiten, Fehler identifizieren, sie vergeben und wieder neu anfangen. Beziehungen wachsen nicht automatisch, sondern gewollt. Sie wachsen, weil wir über den Anderen nachdenken und über uns selbst. Das gilt auch für die Beziehung zu Gott.
Das Gleichnis von den Reben am Weinstock könnte uns dazu verleiten zu denken, es passiere alles "natürlich" - quasi automatisch. Aber Jesus kennt auch die andere Möglichkeit: verdorren, abgeschnitten und verbrannt werden (V. 6). Und seine Wortwahl legt nahe, dass dieses "in ihm bleiben" eine freie Entscheidung ist. Wir sind wie wilde Reben, die in den edlen Weinstock Christus eingepfropft wurden (vgl. Röm 11,24a).
In Jesus zu bleiben beschreibt also keine Schicksalsverbindung, sondern eine Entscheidung. Oder mit den Worten des Heiligen: eine richtige Entscheidung! Die müssen wir täglich treffen - auch heute.
Dennis Meier
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.