Andacht vom 19.04.2007:
Ausländerdasein vor 2000 Jahren
Jesus antwortete wieder: "Es ist nicht richtig, wenn man den Kindern das Brot wegnimmt und es den Hunden vorwirft." "Ja, Herr", erwiderte die Frau, "aber die kleinen Hunde bekommen doch auch die Krümel, die vom Tisch ihrer Herren herunterfallen." Jesus antwortete ihr: "Dein Glaube ist groß. Was du erwartest, soll geschehen." Im selben Augenblick wurde ihre Tochter gesund. Matthäus 15,26-28 (Hoffnung für alle)
So versöhnlich diese Geschichte endet, so schockierend ist ihr Beginn. Eine ausländische Frau ist in höchsten Nöten. Ihre Tochter ist krank. Sie wird "von einem bösen Geist furchtbar gequält". Deshalb fleht sie Jesus um Hilfe an: "Herr, du Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir!" (Mt 15,22 Hfa). Doch Jesus schweigt. Auch die Jünger fühlen sich von ihrem Schreien eher gestört als herausgefordert: "Schick sie doch weg! Sie schreit sonst dauernd hinter uns her." (V. 23 Hfa) Gewiss, diese Frau ist eine Fremde, eine "Heidin". Zuerst aber ist sie ein Mensch, der Hilfe braucht. Doch statt zu helfen, diskutiert Jesus die Frage, für wen er da ist und wo seine Zuständigkeit endet (siehe V. 24-26). Bemerkenswert finde ich, dass die Frau sich davon nicht abschrecken lässt. Sie muss ein ungemein vertrauensvolles Gottesbild gehabt haben. Davon lässt sie sich nicht abbringen. Sie erlebt, wie Jesus zuerst zu ihren Bitten schweigt. Doch sie beharrt darauf: Sein Schweigen kann nicht das Letzte sein. Sie wird als Ausländerin abqualifiziert. Doch sie ist sich sicher: Für Gott sind menschliche Grenzen nicht ausschlaggebend. Sie wird darauf hingewiesen, dass Jesus für sie nicht zuständig ist. Doch sie hält daran fest: Gottes Heil ist so groß, dass es nicht nur für die eigenen Leute reicht. Er hat viel mehr zu verschenken. Sie wird mit dem Hinweis geschmäht, es sei nicht recht, den Kindern das Brot wegzunehmen und es den Hunden zu geben. Doch sie glaubt, dass schon ein paar Brotkrümel von Gottes Fülle genügen, um gesund und heil zu werden (siehe V. 26.27). Darüber staunt Jesus. Er lässt sich bewegen, dieser Frau zu helfen. Wahrscheinlich wollte er das sowieso, aber zugleich auch seinen Jüngern eine Lektion in Sachen Ausländerfeindlichkeit geben.
Vertrauen wir auf Jesus wie diese Frau und sind so beharrlich? Und was erwarten wir von "Heiden"? Unser Weg kann mit Jesus in die Offenheit und Weite führen. Gottes Reichtum ist ein viel zu großer Schatz, um ihn für den innergemeindlichen Dienstgebrauch zu reservieren. Priorität haben doch die lauten und leisen Hilferufe. Dahinter treten auch Prinzipien und Ordnungen zurück.
Michael Götz
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.