Andacht vom 18.04.2010:
Ein hörendes Ohr und ein sehendes Auge, die macht beide der HERR. Sprüche 20,12
An einem Morgen weckte mich wieder eine Amsel. Ihre Stimme klang zunächst noch zaghaft und glich dem langsam heraufdämmernden Tag. Dann aber wurde sie rasch kräftiger und zuversichtlicher. Sie schmetterte ihre Lebensfreude in den neuen Morgen und machte mir bewusst: Es gibt mich noch, ich lebe und höre, ich kann mich auch freuen und dankbar sein für ein neues Stück Leben und einen neuen Tag. Das verdanke ich Gott, der mich hörend gemacht hat.
Hören können ist aber nicht nur eine Freude, sondern auch eine Verpflichtung. Ohren sind Brücken zu anderen Menschen. Gutes Hinhören ist immer gefragt. Darin zeigt sich unsere Achtung vor dem Nächsten, vor allem, wenn dieser sich vergeblich müht, sein Denken und Fühlen in Worte zu fassen. Was wollte er oder sie mir sagen?
Es gibt noch ein anderes Hören. Nicht alles kann man mit Worten ausdrücken; dann das Richtige wahrzunehmen ist mehr den feinfühligen Menschen geschenkt. Aus dem, was der andere im Tonfall und in der Mimik ausdrückt oder worüber er schweigt, ist oft seine Not ablesbar. Wenn Gott nicht beim Hören hilft, dann ist ein Fehlurteil vorprogrammiert.
Am schwierigsten zu hören ist das, was der Redende deshalb nicht ausdrücken kann, weil es ihm selbst noch nicht zum Bewusstsein gekommen ist. Nur seine Augen, seine Gestik, sein ganzer Körper - alles an ihm spricht eine stumme Sprache. In solchen Augenblicken spüren wir am stärksten: Ein hörendes Ohr und sehende Augen kann jetzt nur Gott schenken.
Die Aussage Salomos in den Sprüchen enthält eine Verheißung: Gott macht beides, das sehende Auge und das hörende Ohr. Ich will darum beten, das bewusste Hören neu zu lernen. Selbst unser wunderbar ausgerüstetes Ohr schafft das allein nicht. Ich will doch verstehen, was mir mein Gegenüber wirklich sagen möchte. Ich möchte auch "hören", was es verschweigt, und seine Körpersprache verstehen.
Lieber Gott, hilf mir dabei, dass ich heute aufmerksame Ohren und sehende Augen habe, auf dich höre und genau darauf achte, was mir meine Mitmenschen sagen möchten, auch wenn sie es nicht in Worte kleiden können.
Felix Schönfeld
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.