Andacht vom 22.06.2011:
"Meister", fragten die Jünger, "wer ist schuld daran, dass dieser Mann blind ist? Hat er selbst Schuld auf sich geladen oder seine Eltern?" "Weder noch", antwortete Jesus. "Vielmehr soll an ihm die Macht Gottes sichtbar werden." Johannes 9,2.3 (Hoffnung für alle)
Ein Mann, der von Geburt an blind war, wünschte sich nichts sehnlicher, als eines Tages sehen zu können. Er war intelligent, sehr aktiv. und unternahm mit seinem Freund, der ihn führte, Fahrradtouren, wusch Autos und bastelte gern.
Als er 52 Jahre alt war, wurde er erfolgreich operiert. Doch seine ersten Eindrücke als Sehender waren entmutigend: Um eine Straße zu überqueren, mussten ihn zwei Personen unterhaken, denn er fürchtete sich wie nie zuvor in seinem Leben. Entfernungen von Objekten schätzte er falsch ein. Um einen Gegenstand zu identifizieren, benutzte er weiterhin seinen Tastsinn. Er lernte nie, wie ein Sehender zu lesen und zu schreiben, weil er die Buchstaben nicht erkennen konnte. Deshalb gebrauchte er weiterhin die ihm vertraute Blindenschrift. Eine Drehbank tastete er ab und sagte: "Jetzt, nachdem ich sie gefühlt habe, kann ich sie auch sehen." Seine Aktivitäten ließen immer mehr nach. Er litt an schweren Depressionen und sein Ende war eine Tragödie. Drei Jahre nach der Operation starb er.
Jesus öffnete einmal die Augen eines Blindgeborenen und wollte damit die "Macht Gottes sichtbar" werden lassen, wie es im Andachtstext heißt. Die Jünger sahen, wie der einst Blinde über das ganze Gesicht strahlte, weil er sehen konnte. Er sah und verhielt sich so, als wäre er nie blind gewesen, als hätte er seine Umwelt schon immer so gesehen, wie er sie jetzt sah.
Doch Jesus machte den Mann nicht nur sehend, sondern heilte den ganzen Menschen - nicht nur ein Sinnesorgan, sondern auch seine Seele und seinen Geist. Jesus öffnete auch seine inneren Augen, dass er ihn als seinen Erlöser erkannte. Der Blindgeborene konnte schließlich sagen: "Herr, ich glaube", und betete ihn an (V. 9,38).
Auch uns, die wir sehen können, möchte Jesus die inneren Augen öffnen, damit wir Jesus als den erkennen, der er ist: der Sohn Gottes und der "Menschensohn" (Joh 9,35) - unser Erlöser. Jesus kann uns eine neue Gesinnung schenken, damit die Macht Gottes in uns sichtbar wird - so wie das bei dem Blindgeborenen geschehen war.
Adam Schiller
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.