Andacht vom 27.08.2006:
Heim gekommen
Und er [der verlorene Sohn] machte sich auf und kam zu seinem Vater. Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater und es jammerte ihn; er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn. Lukas 15,20
Als Marita aus dem Zug stieg und durch die Bahnhofshalle ging, fiel ihr ein, wie schwer vor rund einem Jahr die Reisetasche gewesen war. Damals war sie vollgestopft mit allem, von dem Mutter meinte, dass sie es brauchen könnte. Wie wenig brachte sie zurück, ein paar Sachen, flüchtig hineingeworfen.
Am Telefon hatte die Stimme der Mutter so müde geklungen. "Natürlich kannst du kommen. Ich bin ja doch immer zu Hause." Marita hatte eigentlich ein gutes Verhältnis zu ihrer Mutter gehabt. Aber ihren Freund mochte die Mutter nicht. "Der ist nichts für dich, lass die Finger davon." Als Marita schwanger wurde, fragte ihr Freund: "Muss das sein?" Dann merkte sie, dass er andere Frauen hatte. Sie hielt es nicht mehr aus.
Als sie zum Hauseingang einbog, wurden ihre Schritte immer kürzer. Was sollte sie der Mutter sagen, wie alles erklären? Es gab keine Erklärung. Es war einfach alles aus.
Bevor sie die Klingel drücken konnte, ertönte der Summer des Türöffners. Oben auf der Treppe stand die Mutter, zog sie in die Wohnung, griff nach der Tasche und stellte sie auf den Boden, nahm ihr die Jacke ab und hängte sie an den Haken, schob sie ins Zimmer auf die Couch und setzte sich neben sie. "Schön, dass du wieder da bist."
Da saß die Tochter nun und brachte kein Wort heraus. Sie spürte den Blick der Mutter und jede Erklärung war überflüssig. Schließlich fragte die Mutter: "Wann ist es denn so weit?" Marita konnte nicht antworten. Sie konnte auch die Tränen nicht mehr zurück halten. Die Mutter zog sie an sich und sagte: "Wir schaffen das schon."
So ist Gott. Er sagt: "Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet." (Jes 66,13) Ohne Bedingungen zu stellen, ohne Vorleistungen oder Erklärungen zu erwarten. Auch wenn wir nicht nach ihm gefragt oder nicht auf ihn gehört haben, nimmt er uns auf. Wir sind ihm jederzeit herzlich willkommen.
Bernhard Oestreich
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.