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Verfasser: Pierre Intering
Erschienen in:Top Life Aktuell 1502

"Ich weiß, dass ich nicht(s) weiß"

"Wissen ist Macht" ist nicht nur im deutschsprachigen Raum ein gern verwendeter Ausspruch. Der Satz geht auf den Philosophen Francis Bacon (1561-1626) zurück, der die Wissenschaft dem (Aber)Glauben seiner Zeit vorzog und sich so für die beginnende Aufklärung einsetzte.

Wir können heute im modernen Westen die Auswirkungen vieler abergläubischer Vorstellungen kaum nachvollziehen. Viele Menschen verloren ihr Leben, weil sie Opfer der damaligen Medizin wurden. Einfache hygienische Maßnahmen, die heute Standard sind, hätten ihr Leben gerettet. Man wusste es aber nicht und wollte es auch nicht wissen.

Auch so manch andere wissenschaftliche Bemühungen zogen erst blutige Spuren hinter sich, bevor sie endlich Gehör und Anerkennung fanden. Im religiösen Bereich war es kaum anders. Die Folterkammern und Scheiterhaufen standen für dieses menschenverachtende Unwissen, das sich oft hinter dem nur scheinbar frommen Glauben verbarg. Die, die ihrem Glauben gemäß nach den friedfertigen Grundsätzen von Jesus lebten, waren unbeliebte und verfolgte Minderheiten. Ihnen ging es oft nicht anders als ihrem Herrn Jesus Christus, der unter grausamen Umständen hingerichtet wurde.

Als kurze Zeit später die Nachfolger von Jesus die Lehren verstanden, sie auslebten und weitergaben, kehrte zwar nicht der Friede in die Welt ein, aber doch in die Herzen von denen, die nun zu verstehen anfingen, wer und vor allem wie Gott ist. Auch das war schon Wissen, das sich auf den Glauben gründete, dem Aberglauben der damaligen Zeit entgegentrat und half, dass Menschen verstehen konnten, was Liebe, Barmherzigkeit und Menschlichkeit ist - auch unter schwierigen und ungünstigen Umständen. Das Bild, das der Mensch von Gott hat, wie er sich ihn vorstellt und ihn sieht, spielte dabei eine überragende Rolle. Das können wir heute durch den radikalen Islamismus nur allzu gut verstehen. Menschen werden zu dem, was sie verehren und zu vertreten vorgeben.

Was Wissen aber auch machen kann

Auch wenn man stundenlang die positiven Auswirkungen von Wissen beschreiben könnte, sollte man sich auch mancher negativen Folgen von Wissen bewusst sein.

Sich Wissen auf ungesetzliche Art aneignen.

Dies gehört heute zu den großen Herausforderungen der modernen Welt. Ob es um die Wirtschaft, die Politik oder nur um den einzelnen Bürger geht - die Spionage, mittels der man sich Vorteile verschaffen möchte, übertrifft die Vorstellungen vieler Warner. Selbst wenn dieses Wissen gegen die weitere Verbreitung und Vernetzung von Verbrechen eingesetzt wird, bleibt doch ein schaler Beigeschmack. Da Wissen ja Macht ist, fragt man sich, wie es eingesetzt wird, um auch andere Ziele zu erreichen. Diese Frage öffnet natürlich allen möglichen Verschwörungstheorien Tür und Tor und sollte darum sehr bedacht erörtert werden. Dass sich der Mensch aber gerne freiwillig entblößt, zeigen die vielen öffentlich zugänglichen Einträge in den sogenannten sozialen Foren des Internets. Man klagt andere für das an, was man selbst tut. Das ist nichts Neues. Wer mit der Zigarette in der Hand über die Umweltverschmutzer schimpft, muss sich ein Stück Unglaubwürdigkeit vorwerfen lassen.

Einzementiertes Wissen – kann ebenso gefährlich wie Unwissen sein.

Wir Menschen bleiben immer Lernende. Niemand wird ernsthaft behaupten, er wisse alles. Je tiefer man in eine Materie eindringt, desto bewusster wird es einem, dass man oft nur an der Oberfläche kratzt. Vieles ist noch unerforscht, und so manch Erforschtes muss wieder verworfen werden, weil sich neue Erkenntnisse ergeben haben. Das ist ein natürlicher Vorgang in der Wissenschaft. Wer sich aber diesem Prozess verschließt, schafft Fakten, die nicht mehr der Wirklichkeit entsprechen. Im Grunde genommen ist es die Sturheit des Mittelalters, nur setzt sie ein wenig später ein.

"Ich weiß, dass ich nicht(s) weiß" - das ist keine Kapitulation, sondern eine nüchterne Feststellung, die sich weiterer Erkenntnis nicht verschließt. Ohne den derzeitigen Wissensstand herunterzuspielen, versucht man die unermessliche Dimension einer Sache zu erforschen. Das Wetter mag hier nur als kleines Beispiel dienen: Wenn sich wieder einmal Blitze, Donner, Stürme, Orkane oder sonstige Wetterkapriolen unangenehm bemerkbar machen, steckt kein zürnender Gott dahinter, der durch Opfergaben besänftigt werden muss. Diese Erkenntnis ändert zwar nicht die Lage, aber sie lässt den Menschen alles mit anderen Augen und Gefühlen erleben. Außerdem kann man sich auf diese Dinge ganz anders vorbereiten und auch erforschen, wie sich das eine oder andere vermeiden oder lindern lässt. Was ist unvermeidbar, und was ist vielleicht menschengemacht?

Wer meint, schon alles zu wissen, wird keine neuen Erkenntnisse mehr gewinnen und ergibt sich sogar einem vielleicht vermeidbaren Schicksal. Das trifft auf alle möglichen Wissensgebiete zu - auch auf die Religion und den persönlichen Glauben.

Überhebliches Wissen. Nein, nicht das Wissen ist überheblich, sondern der Mensch. Wie viel Schaden entsteht dadurch, dass man Wissen im zwischenmenschlichen Bereich "mathematisch" anwendet! Schon allein dadurch, dass man anderen keine Zeit zugesteht, um Wissen verstehen zu lernen, macht man vieles kaputt. Da Macht andere Menschen manipulieren und lenken kann, ist Wissen auch dafür anfällig. Menschen sind keine programmierbaren Computer, die einfach gewünschte Ergebnisse liefern, wenn sie danach gefragt werden. Dies wäre eine ebenso grausame Spielart wie das Unwissen oder der Aberglaube. Es ist auch ein Grund, warum sich viele Menschen nicht vom Wissen beeindrucken lassen, weil sie sich von einer kühlen, menschenunfreundlichen Art abgestoßen fühlen. Glücklicherweise gibt es genügend Fachleute, die es verstehen, ihr Wissen so weiterzugeben, dass sie verständlich und nicht abschreckend wirken.

Wissen ist nicht alles

Nicht nur, dass viele Dinge noch zu erforschen sind, es gibt auch Dinge, die sich nie erforschen lassen. Auch das gehört zum Wissen. Auch wenn sie auf eine bestimmte Art dem Aberglauben wieder Raum gibt, gibt es doch eine Welt, die sich nur dem Glaubenden erschließt. Daher hat die Bibel als Wort Gottes und besonders als Botschaft von Jesus nichts an Bedeutung verloren. Im Gegenteil. Gerade für Wissende seiner Zeit war es eine Herausforderung, Jesus Christus als Erlöser anzunehmen. Sie verstanden zwar von vielen Dingen mehr als andere, aber sie weigerten sich, etwas viel Höheres, für ihren Verstand Unbegreifliches zu akzeptieren. Der Glaubende war in ihren Augen einfältig und völlig unwissend. Jesus sprach mit seinem himmlischen Vater über diese zwei grundverschiedenen Einstellungen der Menschen: "Mein Vater, Herr über Himmel und Erde! Ich danke dir, dass du die Wahrheit vor den Klugen und Gebildeten verbirgst und sie den Unwissenden enthüllst." Matthäus 11,25 (Hfa)

Natürlich kann man diesen Dank von Jesus missverstehen. Gott hat die geistlichen Wahrheiten nicht zwangsläufig verborgen. Es ist die Art und Weise, wie er sich dem Menschen bemerkbar macht. Dementsprechend werden die Herzen erreicht. Wenn man nur den Verstand erreicht, wird die Sache hart und unmenschlich. Die meisten Pharisäer und Schriftgelehrten verschlossen sich den Wahrheiten. Sie stellten mit ihrem harten Wesen nicht das dar, wozu die einfachen, warmherzigen, aber sicher nicht fehlerlosen Nachfolger Jesu befähigt wurden.

Durch all die Jahrhunderte bestätigte sich dieses von Gott gegebene Prinzip. Wurde das Evangelium, die Botschaft von der Erlösung des Menschen durch das Opfer von Christus, von Wissens-/Machtmenschen vertreten, blieb von der einfachen, aber doch sehr tiefsinnigen christlichen Wahrheit nicht mehr viel übrig. Aus einer unseligen Verbindung von Macht, Wissen, Unwissen, Glauben und Aberglauben entstand eine Mixtur, die noch heute schwer zu begreifen ist. Es klingt seltsam, wenn man das Wissen schätzt, man noch viel mehr davon haben möchte, aber gleichzeitig festhalten muss, dass es auch den Tod bedeuten kann. Es ist der Mensch, der diesen Widerspruch schafft, indem er unter anderem einen wichtigen Punkt außer Acht lässt: "Ich weiß, dass ich nicht(s) weiß!" Es bewahrt davor, den eigenen Wissensstand, den eigenen Horizont als Grenze und Maßstab für alles Wissen zu sehen.

Auch wenn die christliche Botschaft durch Traditionen verbogen, durch Machtstrukturen verkrustet und durch zahlreiche abergläubische Vorstellungen entstellt wird, erschließt sie sich doch dem einfachen Herzen in ihrer Schönheit und Klarheit. Wissen muss dazu kein Widerspruch sein. Im Gegenteil, es hebt die Bedeutung noch hervor, drängt den Aberglauben zurück und lässt uns für die Zukunft einen hoffnungsvollen Blick machen: "Er wird alle ihre Tränen trocknen, und der Tod wird keine Macht mehr haben. Leid, Klage und Schmerzen wird es nie wieder geben; denn was einmal war, ist für immer vorbei ... Siehe, ich schaffe alles neu … Schreib auf, was ich dir sage, alles ist zuverlässig und wahr." Offenbarung 21,4.5 (Hfa)

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