Verfasser: | Mag. Kurt Piesslinger |
Erschienen in: | Top Life Aktuell 1702 |
Johannes Hus - Der Märtyrer (1369–1415 n.Chr.)
Eines Tages tummeln sich die Menschen und diskutieren angeregt in einer Passage in Prag. Immer mehr Schaulustige stoßen dazu, und die Zahl der Anwesenden schwillt ständig an. Jeder neu Hinzugekommene versucht zu erfahren, was der Grund dieser außergewöhnlichen Menschenansammlung ist. Aufgeregt wird auf zwei Gemälde an den gegenüberliegenden Wänden gezeigt.
Wunderschöne Kunstwerke sind hier zu sehen. Doch es ist nicht die Kunst, nicht die feine Auswahl der Farben, die den Menschen ins Auge sticht. Nicht die Ästhetik erregt die Gedankengänge der Zuseher. Es ist der Inhalt des Bildes, das Dargestellte, das die Herzen durcheinanderbringt. Was spielt sich hier ab? Was ist hier zu sehen? Was geht da vor sich? Wie kommt es zu diesem Ereignis? Was ist die Vorgeschichte?
Die böhmische Prinzessin Anne hat den englischen König Richard II. geheiratet. In England erfährt sie von den Schriften des englischen Reformators John Wycliff aus Oxford und nimmt dessen Botschaften begeistert auf. Sie sorgt dafür, dass diese wunderbaren Wahrheiten auch in ihrer Heimat Böhmen bekannt werden. Zwei Gelehrte aus Canterbury, die über die entsprechende künstlerische Begabung verfügen, begeben sich nach Prag und malen im Durchgang des Hauses, in dem sie wohnen, zwei Gemälde an die Wand. Das eine Gemälde zeigt den Heiland bei seinem Einzug auf dem Esel in Jerusalem. In bescheidener, einfacher Kleidung wird Christus dargestellt. Auf dem zweiten Gemälde, an der gegenüberliegenden Wand, wird der Papst hoch zu Ross in prachtvoller Kleidung abgebildet. Kein Kaiser kann mehr Luxus zeigen als der Papst auf diesem Gemälde. Die Menschen schauen gebannt auf diese Darstellung der Gegensätze. Menschenansammlungen bilden sich vor den zwei Kunstwerken, sodass der gerade vorbeikommende Rektor der Universität zu Prag, mit Namen Johannes Hus, erstaunt verweilt, um zu sehen, was hier das Interesse der Beschauer erregt. Schnell begreift er den tiefen Sinn der zwei Szenen. Das Papsttum hat sich weit vom ursprünglichen Christentum entfernt. Der Papst agiert wie ein weltlicher Herrscher, meilenweit von der schlichten Lebensweise Jesu entfernt. Er lebt wie ein reicher, mächtiger König, der üppig und ausschweifend auf Kosten der armen Bevölkerung im Luxus schwelgt.
Hus beginnt voller Eifer das ursprüngliche Evangelium von Jesus zu predigen. Die Massen hören ihm begeistert zu. Das Papsttum kann darauf mit Reformen reagieren oder brutal zurückschlagen. Hus wird nach Konstanz zu einem Konzil eingeladen. Doch trotz der Zusicherung des freien Geleits durch Kaiser Sigismund lässt der Papst den Gelehrten aus Prag nach seiner Ankunft verhaften.
Der Papst und die Kardinäle streben die Verbrennung von Johannes Hus an. Doch derselbe Papst wird vom Konstanzer Konzil im Mai 1415, also nur ein halbes Jahr nach der Verhaftung von Johannes Hus, im selben Gefängnis eingesperrt. So wirkt Gott. Der abgesetzte Papst und Hus schmachten im selben Gebäude in Konstanz. Hus wird mehrmals eindringlich zum Widerruf aufgefordert. Man hat ihn in ein ekliges, kaltes, dunkles, feuchtes, stinkendes Verlies gesperrt, wo er schnell schwer krank wird. Dennoch bleibt er stark und unbeugsam. Am 6. Juli 1415 stirbt Jan Hus den Märtyrertod in den Flammen. Es ist nicht gelungen, ihn zum Widerruf zu bewegen. Er stirbt als Sieger.
Die Asche von Hus wird in den Rhein gestreut und fließt weiter ins Meer. Ein schönes Bild dafür, wie sich die Lehren von Johannes Hus über die ganze Welt verbreitet haben.
Er stützte sich auf das Wort Jesu: Fürchtet euch nicht vor denen, die zwar den Leib töten, aber nicht eure Seele töten können. (Matthäus 10,28) Er wusste: Mein Heiland wird mich wieder auferwecken. Dieses Vertrauen auf das Wort Gottes hat ihm die Angst vor dem Tod genommen.
Diese Artikel werden Sie auch interessieren
20.02.2017 | Er ist der Morgenstern der Reformation, der reformatorische Vordenker. Er wagt auszusprechen, was andere nicht einmal zu denken wagen. Wycliffs innovative Gedanken sprengen jeden vorstellbaren Rahmen. Die Themen, die er anpackt, klingen in den Ohren der Kirchenführer wie die zischende Zündschnur, an deren Ende das Dynamit lauert.
Erschienen in: Top Life Aktuell 1701