Andacht vom 22.11.2006:
"Meine Hilfe kommt vom Herrn!"
Herr, du bist unsere Zuflucht für und für. Psalm 90,1
Ich sah ihn kommen. Wir sprachen miteinander. Ich schaute ihm nach als er ging. Viel Kummer belastete ihn. Er wandte sich nicht um, als er durch das Tor zur Straße hinaustrat. Es war unsere letzte Begegnung. Doch er hatte etwas mitgenommen, wie er mir sagte. Zuhören, Verständnis, Anteilnahme, Einfühlen in seine Not. Was soll man einem gradlinigen Wissenschaftler und überzeugten Sozialisten sagen?
In unseren Gesprächen erkannte er sich allmählich selbst, weil er eigene Grenzen sah, diese akzeptierte und Schlüsse daraus zog. Er wagte neue Schritte über seine Grenzen hinaus. Das bis dahin Verachtete - der Glaube an einen persönlichen Gott - wurde plötzlich zum Korrektiv, zum Wegweiser. Die Quellen des intellektuellen Erfassens schienen wie ausgetrocknet. Doch Gott kann Wüste zum Quellgrund machen und Lebensdurst stillen.
Herr Dr. X - ein Mensch neben mir, für mehrere Monate -, ein Suchender, wie ich es bin -, ein Begleiter, ein Freund im gemeinsamen Entdecken einer Spur vom Sinn im Leben. Nur eine Spur - aber so überaus wichtig an dieser Stelle des Lebens. Wir sprachen über Wissen und Glauben - Bereiche, die sich nicht ausschließen, sondern ergänzen.
Und dann hielt ich die Trauerrede an seinem Sarg. Viele Menschen waren gekommen - bekennende NichtChristen. Wir baten um ihre Berührung mit dem Heiligen Geist Gottes - und wir wurden selbst von ihm berührt und bewegt. Danke, Herr Jesus!
Eigentlich müssen wir alle begreifen, dass wir einen Ausweg aus der Angst, aus den engen Grenzen unseres Unglaubens und unserer ungelösten Schwierigkeiten brauchen. Dafür gibt es ein wunderbares Wort: Zuflucht. Ich kann damit viel anfangen. Noch dürfen wir gemeinsam zu dem gehen, dessen Name Burg und Zuflucht ist. Heute wollen wir es wieder tun und dabei auch für die Menschen beten, die wohl das Wetter leuchten in unseren Tagen sehen, aber nicht begreifen, weil sie ihn noch nicht gefunden haben, der allein unser aller Leben sinnvoll machen kann und zum Ziel führt.
Gunter Schmidt
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.
