Andacht vom 03.06.2004:
Die erste Frage
Aber die Schlange ... sprach zu der Frau: Ja, sollte Gott gesagt haben: Ihr sollt nicht essen von allen Bäumen im Garten? 1. Mose 3,1
Das Wesen der Schlange ist gespalten. Sie verdankt dem Schöpfer ihr Dasein und wird doch zum Sprachrohr des Bösen. Sie knüpft Kontakt durch eine Frage (die erste in der Bibel), mit der sie sich scheinbar teilnehmend nach dem Wohlergehen des Menschenpaares erkundigt. Dabei verspricht sie zunächst nicht leiblichen Genuss, sondern einen größeren geistigen Horizont. Zielbewusst versucht sie, die göttliche Weisung zu verharmlosen und sie als Missverständnis zu interpretieren, um letztlich Argwohn zu schüren. Gesprächsthema ist nicht die Schönheit des Paradieses, sondern das Verhältnis zwischen Geschöpf und Schöpfer. Auch heute kann eine freimütige Diskussion über religiöse Themen irreführen oder zumindest Zweifel auslösen. "Wer möchte sich gar die Gelegenheit entgehen lassen, als Anwalt Gottes aufzutreten?" (W. Zimmerli)
Raffiniert bietet die Schlange ihrer Gesprächspartnerin die Möglichkeit, sie in ihrer Ansicht zu korrigieren. Die erste Versuchung geschieht also durch eine kluge Vertreterin der Tierwelt; später glückt die Verführung immer wieder mit willigen Subjekten aus den Reihen der Menschen, wobei sich der Teufel gern der begabtesten von ihnen bedient. Er ist ja durchaus nicht so plump und dumm, wie ihn zuweilen das Märchen darstellt! Sein weltweiter Erfolg, eine Wucherung des eingepflanzten Sündenkeims, bestätigt das. Unter den zahllosen Nachkommen des ersten Paares bleibt keiner vor den Fängen des Bösen bewahrt. Was dem gefallenen Engelfürst nicht durch Überredungskunst gelingt, erpresst er wie ein brüllender Löwe mit Bedrohung. Dennoch brauchen Jesu Nachfolger nicht erschrocken zu kapitulieren, denn Christus hat bereits gesiegt und schützt die Seinen.
Ludwig Martin
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.