Andacht vom 18.12.2007:
Gefährlich-harmonische Feiertage
Sie [Maria] gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen, wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Futterkrippe im Stall. Denn in der Herberge hatten sie keinen Platz gefunden. Lukas 2,7 (Gute Nachricht Bibel)
Vor Jahren habe ich mich sehr amüsiert, als ich in einer Jugendzeitschrift Tipps las, "um Weihnachten stressfrei zu überleben". Der Autor empfahl, entweder zum Buddhismus zu konvertieren, sich von einem Schamanen in mehrtägige Ekstase trommeln zu lassen, während der Feiertage als Kartenabreißer in einem Bahnhofskino zu arbeiten oder mittels einer kleinen, harmlosen Straftat für drei Tage in den Knast zu wandern. Es wurde deutlich, dass man sich schon etwas Gutes einfallen lassen muss, um diesem traditionellen Familienfest erfolgreich zu entkommen.
Ich lebte lange Jahre ohne Familie und war damit am Fest der Liebe frei von jeglicher Verpflichtung. Inzwischen habe mich wieder daran gewöhnt, dass es wenigstens ein Minimum an weihnachtlicher "Pflicht" gibt, die es schon aus Rücksicht auf die Gefühle lieber, nahe stehender Menschen zu achten gilt.
Das "schöne Ritual", auf das so viele nicht verzichten möchten und dem schon wochenlange stressige Vorbereitungen vorausgehen, endet meist in einem opulenten Festmahl - und dann oft im Aufbruch alter nie aufgearbeiteter Konflikte. Ehekrisen, Jahre zurückliegende Streitigkeiten, drängen mit Gewalt an die Oberfläche und es kracht gewaltig. Die vielen Krisen, die an Weihnachten viele Menschen erschüttern, rühren oft von dem Zwang, um jeden Preis stunden- oder gar tagelang harmonisch miteinander verbringen zu müssen. Und von dem übersteigerten Anspruch, sich einer Heile-Welt-Idylle unterwerfen zu müssen, die es nie gegeben hat, schon gar nicht in der Bibel.
Dort ist bei der Geburt Jesu von einer Notunterkunft die Rede, von armen Menschen, von Flucht und Verfolgung. Die Botschaft des Weihnachtsfestes ist die Liebe Gottes durch die Geburt seines Sohnes. Diese Liebe verträgt ganz einfach keinen Druck, sie braucht stattdessen Luft und Raum zur Entfaltung.
Weihnachten ist nur einmal im Jahr. Man kann sich vorher gemeinsam und in aller Ruhe überlegen, wann man mit wem zusammen sein möchte und wann jeder Zeit für sich braucht. Könnte ja sein, dass nach einem solchen Gespräch, in dem jeder seine Erwartungen und Bedürfnisse ausspricht, ein tiefes Aufatmen durch die Runde geht. Dann kann endlich Weihnachten werden.
Beate Strobel
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.