Andacht vom 06.05.2008:
Alles Glaube oder was?
So ist auch der Glaube, wenn er nicht Werke hat, tot in sich selber. Jakobus 2,17
Wer den Jakobusbrief in seiner Bibel finden möchte, muss im Neuen Testament weit nach hinten blättern. Von Luther als "stroherne Epistel" bezeichnet, hat dieser Brief nicht nur einen der hintersten Plätze im Kanon der Bibel erhalten, sondern steht auch für manchen Leser im Widerspruch zu den paulinischen Briefen, in denen immer wieder die Rechtfertigung aus dem Glauben betont wird.
Wie für den Drahtseiltänzer im Zirkus, ist es auch für uns Christen wichtig, dass wir in unserem Glaubensleben immer wieder die Balance und die Ausgewogenheit finden. Genau zu diesem Gleichgewicht möchte uns Jakobus verhelfen. Meines Erachtens steht er nicht im Widerspruch zu Paulus, sondern ergänzt ihn auf wunderbare Art und Weise.
Jakobus erinnert uns daran, dass nur ein lebendiger, aktiver Glaube uns erlösen kann. Wenn auf unsere Worte und unser Glaubensbekenntnis keine Taten folgen, ist unser Glaube nicht viel wert. Ebenso wenig wie die Liebeserklärung eines verliebten Menschen, der es nur bei schönen Worten belässt.
Beim Durchlesen des gesamten Jakobusbriefs sind mir bestimmte Worte aufgefallen, die aneinander gereiht eine Art roten Faden ergeben: Da ist die Rede von Anfechtung (1,2.12), Zorn (1,19.20), vom Ansehen der Person (2,1.9), vom Unheil, das die Zunge anrichten kann (3,1-12), von Neid (3,14.16), Streit (3,14.16; 4,1), von verleumden und verurteilen (4,11.12), von "widereinander seufzen" (5,9) und vom Kampf untereinander (4,1). Könnte es sein, dass der Hintergrund für den Jakobusbrief Streitigkeiten und Spannungen in der jungen Christengemeinde sind? Wenn ja, dann mag der Jakobusbrief für Luther zwar eine "stroherne", nicht so gewichtige Epistel gewesen sein, verstaubt und irrelevant ist dieser Brief aber bestimmt nicht, sondern topaktuell.
Dann bekommt auch unser Vers einen ganz neuen Glanz. Dann geht es nicht nur um irgendwelche Taten, sondern um die Art und Weise, wie wir miteinander umgehen. Dann geht es darum, ob wir konstruktiv mit Meinungsverschiedenheiten und Konflikten umgehen, ob wir uns zu unserer Schuld bekennen und die Versöhnung mit dem Nächsten suchen. Dann geht es nicht nur um den Inhalt unserer Diskussionen, sondern auch darum wie und in welchem Geist wir sie führen.
In diesem Sinne möchte ich nicht nur Hörer, sondern auch Täter des Wortes sein und mich um einen lebendigen, aktiven Glauben bemühen.
Christian Frei
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.