Andacht vom 18.06.2004:
Gottes Wort
Öffne mir die Augen, dass ich sehe die Wunder an deinem Gesetz. Psalm 119,18
"Ach, es geschehen keine Wunder mehr!" heißt es in Schillers Drama "Die Jungfrau von Orleans". Schließen wir uns dieser bedauernden Feststellung an? Dürfen wir als Endzeitgemeinde mehr übernatürliches Eingreifen erhoffen, als in früheren Zeiten geschah?
Jesus weigerte sich wiederholt, der Forderung nach Wunderzeichen stattzugeben. Weder am Kreuz reagierte er auf derartiges Drängen noch in der Wüste auf die Provokation Satans. Was der Auferstandene einem Angefochtenen riet, ist nach wie vor gültig: "Freuen dürfen sich alle, die mich nicht sehen und mir trotzdem vertrauen." (Jo 20,29 GN)
Während den Gläubigen des alten Bundes nur das Alte Testament zur Verfügung stand, wird heute in rund 2000 Sprachen das Evangelium des Neuen Testamentes verbreitet. Doch es droht die Gefahr, dass das Bedürfnis nach außergewöhnlichen Geschehnissen -"Wundern" - stärker ist als das Begehren des Wortes Gottes. Schließlich bedient sich der große Verführer, Satan, mit Vorliebe aller möglichen "Wunder", um Un- kritische zu täuschen und von der biblischen Botschaft abzulenken. Einstige Zuhörer Johannes des Täufers bestätigten, dass dieser, obwohl er "kein Zeichen tat", mit seinen Worten eindeutig auf Christus hinwies. Ein anderes Beispiel: Die Einwohner von Ninive bekehrten sich auf das prophetische Bußwort Jonas hin, ohne irgendeine Garantie zu fordern.
Keineswegs müssen weltumspannende Ereignisse eintreten, damit der Mensch Gottes wundersames Handeln spüren kann. Die Bitte des Psalmisten in unserem Textwort sollte täglich in unser Gebet einfließen: Herr, mach unsere Augen offen für dein Wesen und Wirken! Über David wird in der Bibel mehrmals gesagt, dass er - statt um vergängliche Güter - um tieferes Verständnis der Offenbarung Gottes flehte. Diese Bitte wurde ihm erfüllt.
Ludwig Martin
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.