Andacht vom 27.06.2008:
Blutfluss
Da wandte sich Jesus um und sah sie und sprach: Sei getrost, meine Tochter, dein Glaube hat dir geholfen. Und die Frau wurde gesund zu derselben Stunde. Matthäus 9,22
Es gab manche Situationen in meinem Leben, in denen ich dachte, wenn ich doch jetzt "Jesu Gewand" berühren könnte. Manchmal war es ein Problem, für das ich im Augenblick keine Lösung erkennen konnte. Oder es war einfach der Wunsch, Jesus begegnen zu können, seine Nähe zu spüren, ihm in die Augen blicken zu dürfen und zu sehen, dass er es gut mit mir meint. Ich würde ihm auch gern Fragen stellen und wäre gespannt, wie er darauf antwortet. Ich weiß, er wüsste, wie es weitergehen soll; und wenn ich auf falschen Wegen unterwegs wäre, würde er mich zurückbringen. Er würde sich auch um mich kümmern, wie er sich damals der Frau annahm, von der im heutigen Andachtstext die Rede ist.
Das war ganz gewiss kein leichtes Los, seit zwölf Jahren an starken Blutungen zu leiden. Von einem Arzt zum anderen war sie gelaufen und darüber arm geworden. Genützt hatte das alles nicht - im Gegenteil. Mehr als ein Jahrzehnt in der Lebensqualität stark eingeschränkt zu sein, Freunde zu verlieren, als unrein zu gelten und zu allem Überfluss auch noch vom Gottesdienst ausgeschlossen zu sein - das ist schwer zu verkraften.
Doch eines Tages hört die Frau von Jesus, dem Rabbi aus Galiläa, dessen Wundertaten und Krankenheilungen in aller Munde sind. Und sie denkt: Wenn er anderen hilft, warum nicht auch mir? Also macht sie sich auf den Weg. Sie hofft auf Heilung, aber Illusionen über ihre Chancen macht sie sich nicht. Andererseits ist sie sich sicher, dass ihr schon geholfen wäre, wenn sie im Gedränge wenigstens einen Zipfel seines Gewands berühren könnte.
Tatsächlich gelingt es ihr, so nah an Jesus heranzukommen, dass sie ihn verstohlen berühren kann. Und das Wunder geschieht: "Im selben Augenblick war sie gesund!" Wahrscheinlich wäre sie so unauffällig, wie sie gekommen war auch wieder verschwunden, wenn Jesus sie nicht direkt angesprochen hätte. Und da geschieht das eigentliche Wunder. Was wir bei dieser Frau als eine Mischung aus Verzweiflung, magischen Erwartungen und Vertrauen in die Macht Jesu bezeichnen würden, das erkennt Jesus als Glauben.
"Er aber sprach zu ihr: Meine Tochter, dein Glaube hat dich gesund gemacht; geh hin in Frieden und sei gesund von deiner Plage!" (Mk 5,34)
Gabriele Bartholomäus
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.
