Andacht vom 01.10.2008:
Ist das ernst gemeint?
Aller Augen warten auf dich, und du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit. Psalm 145,15
Längst nicht alle Menschen auf dieser Welt haben Speise zur rechten Zeit. Vielen fehlt, was zu einem menschenwürdigen Dasein gehört. Armut ist für ungezählte Menschen kein vorübergehendes Los, sondern ein Dauerzustand, und Sättigung ist nicht in Sicht. Wie kann man da in das Lob der Fürsorge Gottes einstimmen? Werden die Hungernden mit solchen Worten nicht geradezu verhöhnt?
Wenn wir die Wirklichkeit, wie wir sie erleben und gestalten, zur Grundlage unseres Lobs machen, klingt dieser Psalm tatsächlich wie ein übler Scherz, und wir sollten besser aufhören, von der Fürsorge Gottes zu reden. Das Psalmwort könnte uns allerdings die Augen dafür öffnen, dass in unserer Welt etwas nicht stimmt. Was könnten wir da sehen?
In unserem Andachtswort ist die Rede von Geschöpfen, die auf Gott warten. Der Blick ist nicht auf das Ergebnis fixiert (Speise oder rechte Zeit), sondern auf den Geber. Wer so denkt, nimmt alles aus Gottes Hand.
Die Augen sind auch nicht auf das gerichtet, was wir selber leisten und erarbeiten können, sondern auf den Geber. Was wir tun und lassen, ist wichtig. Aber Gedeihen und Gelingen liegen letztlich nicht in unserer Hand. Die Augen schauen darum besser weiter.
Von Sättigung zur rechten Zeit ist die Rede, nicht von immerwährender Sattheit. Lernen wir wieder Zeiten zu unterscheiden, nach der rechten Zeit zu fragen und die Zeit abzuwarten. Es gibt Zeiten des Feierns und Zeiten des Fastens. Manchmal ist ganz wenig schon genug. Nach dem richtigen Maß zu fragen, bewahrt uns vor Überfluss, der rasch in Überdruss umschlägt und das Leben zerstört.
Es wird nicht unterschieden zwischen Anspruchsberechtigten und Rechtlosen. Ausnahmslos alle sind im Blick, wenn es um Speise zur rechten Zeit geht. Geschöpfe sind abhängig von ihrem Schöpfer. Er will für sie sorgen.
Solidarität wird bekräftigt, nicht aufgekündigt. Gemeinsinn ist möglich und nötig. Die ganze Menschheit, ja alles Leben soll bewahrt werden. Auch wenn es nicht direkt erwähnt wird, aber Teilen gehört auch dazu.
Feiern wir am Erntedanktag besser nicht die Welt wie sie ist, sondern wie sie sein könnte und sollte. Geben wir lieber Gott die Ehre, der will, dass alle zur rechten Zeit ihre Speise empfangen und niemand vergeblich darauf wartet.
Michael Götz
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.