Andacht vom 13.11.2008:
Von der Zeit-Spende
Denn Arme habt ihr allezeit bei euch; mich aber habt ihr nicht allezeit. Johannes 12,8
Am Eingang eines Berliner Friedhofs wird der Besucher von einem knienden Engel begrüßt, der ihm bittend einen Opferkasten hinhält. Darauf stand bis vor einigen Jahren: "Für die Armen". Wer dieser anonymen Aufforderung zur Mildtätigkeit gefolgt ist, hat nie erfahren, wem er durch seine Gabe helfen konnte. Er durfte sich lediglich darüber freuen, dass sein Mitgefühl für unbekannte Menschen im Himmel nicht unbeachtet bleiben würde.
Etwas anderes ist es, einem Notleidenden direkt und ohne Umweg über einen gusseisernen Engel oder eine modernere Form der Spendensammlung zu helfen. Das eine sollten wir tun und das andere nicht lassen. Die direkte Art zu "spenden" - etwa Zeit, Geld, Mitgefühl, praktische Hilfe, Schutz und manches andere - ist allerdings erheblich aufwändiger als ein spontaner Griff in die Geldbörse. Da kommen Zuneigung oder Widerwille ins Spiel, da kann es richtig anstrengend und spannend werden.
Ich finde die Geschichte, mit der der Evangelist Johannes seinen Bericht über die letzte Woche im Leben Jesu beginnt, höchst interessant. Da ist Marta, die Jesus mit allem versorgt, was ein Gast braucht. Da ist Lazarus, ihr Bruder, der durch Jesus neues Leben geschenkt bekam und nun schon wieder in Lebensgefahr schwebt. Als Freund Jesu und leibhaftiger Zeuge für Jesu Macht über den Tod ist er den führenden Männern in Jerusalem lästig. Wie Jesus trachtet man auch ihm nach dem Leben. Da ist Judas, der es offenbar mit der Verwaltung der Gemeinschaftskasse nicht immer so genau nahm. Da wird von Maria erzählt, die aus Liebe zu Jesus verschwenderisch handelt. Sie salbt den zum Tode bestimmten Herrn wie einen König. Sie tut das, was sie in dieser Situation für angebracht hält, ohne nach den Kosten zu fragen. Ihr scheint es auch egal zu sein, was andere davon halten. Sie spürt, dass Jesus in Not ist, und ehrt ihn auf unnachahmliche Weise, ohne zu wissen, dass sie einem Todgeweihten die Ehre erweist (V. 1-7). Dazu bedarf es keiner Worte, der Duft des kostbaren Öls redet deutlich genug.
Aus dem Herzen zu handeln und das Richtige zu tun, das ist die Kunst der Liebe, auch der Liebe Jesu. Durch seine Liebe sind wir Erlöste. Bezeichnend auch, dass Jesus scheinbar ganz nebenbei von sich weg auf die "Armen" hinweist, die zu allen Zeiten Hilfe brauchen. Vielleicht ist das gerade heute nötig. Und wo immer wir helfen, lindern wir nicht nur Not, sondern ehren damit zugleich Jesus.
Klaus Schulz
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.