Andacht vom 05.08.2009:
Halb Mensch, halb Tier?
Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau. 1. Mose 1,27
"Wir sind auch nur Tiere", so las ich vor kurzem bei dem Evolutionspsychologen Harald Euler. "Stimmt", meint der moderne Genetiker, denn der Gorilla ist - genetisch betrachtet - zu 98 Prozent mit dem Menschen identisch. "Stimmt", meinen auch einige Philosophen, die wie Friedrich Nietzsche im Menschen nichts anderes sehen als die "blonde Bestie".
Aber schon vor langer Zeit hat Blaise Pascal gewarnt, wie "gefährlich es sei, wenn man den Menschen zu sehr darauf hinweise, dass er den Tieren gleiche, ohne ihm zugleich seine Größe vor Augen zu führen" (Pensees, Nr. 418). Mit der Größe ist seine Fähigkeit gemeint, über Gott nachzudenken, Gottes Wort zu hören und zu Gott zu sprechen.
Der Mensch wurde als Bild Gottes geschaffen. Er ist Gottes "Gegenüber" (Claus Westermann) und als solches nicht Tier, sondern Herr über das Tier (1 Mo 1,26). Die Alten wussten schon, warum sie den Menschen als einziges Wesen aus der Natur heraushoben: weil allein der Mensch seine Augen zum Himmel richten kann. So ist der Mensch auch in seinem Verhalten nie Tier. Entweder sinkt er weit unter das Tier, wie die menschenverachtenden Massenvernichtungen von Nationalsozialismus und Marxismus im letzten Jahrhundert gezeigt haben, oder er erhebt sich in Nächstenliebe und Barmherzigkeit über das Tier.
Menschen und Erdentiere sind zwar beide am sechsten Tag geschaffen worden - von daher erklären sich aufgrund der Planverwandtschaft gewisse biologische Ähnlichkeiten zwischen Menschen und Menschenaffen -, aber eine typisch menschliche Eigenschaft ist den Affen fremd: Sie haben offensichtlich kein Interesse daran, ihrem Nachbarn einen Gefallen zu erweisen. Bei einer US-Verhaltensstudie mit erwachsenen Schimpansen nahmen die Tiere keine Möglichkeit wahr, ihre Käfiggenossen mit einer Extraportion Futter zu versorgen, obwohl es sie keine Mühe gekostet hätte.
Auch in der Menschheitsgeschichte finden wir zwar genug Gleichgültigkeit und Unbarmherzigkeit, gleichzeitig ist sie aber auch eine Geschichte der Barmherzigkeit: Hierfür könnten wir zahllose Beispiele anführen. Das Wunder der Nächstenliebe ist es, was den Menschen zum Menschen macht. Herr schenke uns heute diese Liebe zu unserem Mitmenschen!
Hans Heinz
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.