Andacht vom 16.11.2009:
Da stöhnt das Ego
Lehre mich heilsame Einsicht und Erkenntnis; denn ich glaube deinen Geboten. Ehe ich gedemütigt wurde, irrte ich; nun aber halte ich dein Wort. Psalm 119,66.67
"Epaminondas, der große griechische Patriot und Staatsmann, wurde eines Tages das Opfer politischer Ränkeschmiede. Seine Feinde brachten es fertig, dass man ihm zum öffentlichen Straßenkehrer machte. Für sie war dies die tiefste Erniedrigung, die sie ihm zudenken konnten. Bei dieser Gelegenheit sprach Epaminondas die unvergänglichen Worte: ,Der Posten mag den Mann nicht ehren, aber der Mann wird den Posten ehren/ Er erfüllte seine Aufgabe so gut, dass er der beste Straßenkehrer wurde, den die Stadt je gehabt hatte. Und bald saß er wieder unter den Staatsräten." (Gustav Tobler, "Lebenswerter Leben")
Gedemütigt werden ist für viele die schlimmste Erfahrung, die sie sich vorstellen können. Kaum etwas wird so sehr übel genommen wie ein Wort, das man als Herabsetzung versteht. Was als Verletzung des eigenen Ichs aufgefasst wird, scheint eine unverzeihliche Sünde zu sein. Wer aber einem andern etwas übel nimmt, vergisst, dass er selbst auch nicht immer fehlerlos gehandelt hat. Mancher muss im Leben zurücktreten und einem anderen den Platz überlassen, der ihm lieb und wert geworden ist. Es kann auch heute passieren, dass ich eine Aufgabe übernehmen muss, die mir gar nicht gefällt. Dann kann mir Epaminondas ein Vorbild sein.
Das Problem liegt in unserm Ich, das sich nicht beugen will. Es trachtet nach Selbstbestätigung und Selbsterhöhung und wird dadurch blind gegenüber geistlichen Wahrheiten. Während wir uns selbst erhöhen, setzen wir Gott herab, dem allein die Ehre gebührt. Wir halten unsere Auffassungen für wichtiger als Gottes Wort.
Das hatte der Verfasser unseres Psalms erkannt. Deshalb ist er für die Demütigung sogar dankbar: "Es ist gut für mich, dass du mich gedemütigt hast, damit ich deine Gebote lerne." (V. 71) Die Demütigung brachte ihn zur Besinnung, und er begann, ganz anders auf Gottes Wort zu hören. Dabei ging ihm auf, wie abwegig und verhängnisvoll seine eigenen Lebensauffassungen waren.
Sollten wir deprimierende Erfahrungen machen, hat Gott gewiss heilsame Einsichten für uns bereit! Und ihm näher zu kommen, ist das Schönste und Ermutigendste auf der Welt! "Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht." (Mt 23,12)
Konrad Edel
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.