Andacht vom 12.08.2004:
Vergebung
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Matthäus 6,12
Es war 1945 in den Tagen des Zusammenbruchs der deutschen Front in Oberitalien: In einem Steinbruch sind deutsche Soldaten von Partisanen zusammengetrieben und sollen erschossen werden. Neugierige aus einem nahen Dorf umringen die Gruppe. Unmittelbar vor der Erschießung tritt einer der gefangengenommenen Soldaten, ein evangelischer Pfarrer, aus der Reihe und fragt, ob er noch eine Bitte äußern dürfe. Als man einwilligt, ersucht er darum, das Vaterunser zu beten.
Die Bitte wird ihm gewährt. Die meisten Italiener beten mit. Am Ende sind die Partisanen nicht in der Lage, ihr Vorhaben auszuführen. Das Gebet hat den Gefangenen das Leben gerettet. Gottes Wort hat die Gedanken der Rache besiegt. Erkenntnis der eigenen Vergebungsbedürftigkeit gab die Kraft, dem Feind zu vergeben. Der Bitte um Vergebung geht im Vaterunser die Bitte um das tägliche Brot voraus. Wie der Mensch vom täglichen Brot lebt, so lebt er auch von der täglichen Vergebung. "Wenn du, Herr, Sünden anrechnen willst - Herr, wer wird bestehen:" (Ps 130,3) Deshalb sollte in unsern Gebeten die Bitte um Vergebung nie fehlen. So lehrte es der Herr Jesus seine Jünger.
Neben der Schuld gegenüber Gott gibt es auch Schuld gegenüber dem Nächsten. Wie viel Unaufmerksamkeit, Unwahrhaftigkeit, Misstrauen und Lieblosigkeit lassen uns täglich schuldig werden am Nächsten! Wie oft wird mein Bruder an mir schuldig! Wie verarbeite ich das innerlich? Jesus fügte dem Vaterunser die Worte hinzu: "Wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben."
Wir selbst bestimmen das Maß der göttlichen Vergebung an uns. "Vergib uns ..., wie auch wir vergeben."
Wolfgang Hartlapp
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.