Andacht vom 18.03.2010:
Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir. Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann werde ich dahin kommen, dass ich sein Angesicht schaue? Meine Tränen sind meine Speise Tag und Nacht, weil man täglich zu mir sagt: Wo ist nun dein Gott? Psalm 42,2-4
Lechzen, schreien, dürsten nach Gott - wer kennt das heute noch? Früher war das anders. Martin Luther zum Beispiel verlangte nach einem gnädigen Gott, weil die Kirche den Menschen dauernd Strafpredigten hielt und Angst vor den Höllenqualen machte. Doch darüber sind wir längst hinaus.
Kann ich vor dem Gericht Gottes bestehen? Der moderne Mensch fragt ganz anders: Wieso handelt Gott so? Wenn er gerecht und gnädig ist, soll er sich vor meinem Gericht verantworten! Der in der Bibel verkündigte Gott ist längst überholt. Wir schaffen uns Götter nach unserem Bild!
Ich unterstelle keinem Leser dieser Andacht, dass er eine so radikale Position vertritt. Aber könnte es sein, dass viele von uns sich heute - gemäß dem Trend unserer Zeit - mit einer recht lockeren Beziehung zu Gott zufrieden geben nach dem Motto: "Was soll's - wenn ich einmal nicht so gut drauf bin, dann lasse ich das Bibellesen und Beten etwas schleifen. So kleinlich wird Gott doch nicht sein?"
Dem Verfasser des zitierten Psalms muss die Beziehung zu Gott sehr wichtig gewesen sein. Er konnte es ohne ihn kaum aushalten. Was der Anlass seiner Tränen war, erfahren wir nicht. Jedenfalls befand er sich in einem seelischen Tief und vermisste die Nähe Gottes. Andere hatten das mitbekommen und verspotteten ihn deswegen noch.
Doch er schuf sich keinen anderen Gott, also einen Götzen, um über seine Probleme hinwegzukommen. Ihm war es nicht genug, ab und zu eine religiöse Hochstimmung zu erleben. Ihn dürstete nach dem lebendigen Gott, der sich dem Menschen immer wieder deutlich offenbart hatte. Er betete, er schrie sogar zu ihm. Und er ließ nicht locker, bis er sich seiner Nähe wieder gewiss wurde.
Schon oft bin ich Menschen begegnet, die mit ihrer Beziehung zu Gott nicht zufrieden waren und nach einer innigeren Gemeinschaft zu ihm dürsteten. Manchem habe ich gesagt: "Dein Verlangen nach Gott ist gut, aber bedenke auch, dass die letzte Erfüllung deiner Sehnsucht erst gestillt wird, wenn du ihn ,von Angesicht zu Angesicht' sehen wirst." (1 Kor 13,12) Bis dahin ist es gut, den Durst nach Gott aufrechtzuerhalten.
Josef Butscher
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.
