Andacht vom 16.04.2010:
Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf dass du lange lebest in dem Lande, das dir der HERR, dein Gott, geben wird. 2. Mose 20,12
Zum 87. Geburtstag besuchte ich meinen früheren Lehrmeister. Als ich vor 47 Jahren die Ausbildung zum Schmied begann, war er ein Mann in den besten Jahren. Inzwischen sieht er schlecht und auch sein Gehör hat erheblich nachgelassen. Zum ersten Mal sah ich ihn mit einer Gehhilfe durchs Zimmer gehen.
Sein Geist ist allerdings noch sehr rege. Wir erinnerten uns an die gemeinsame Zeit vor vielen Jahren. Bald kam er auf das Heute zu sprechen. Etliche Sätze sind mir im Gedächtnis geblieben. Zum Beispiel sagte er: "Wenn ich noch einmal jung wäre, würde ich wieder denselben Beruf erlernen und dieselbe Frau heiraten." Auch vor dem Sterben habe er keine Angst.
Schließlich erzählte er von seinen vier Söhnen. Da strahlte sein Gesicht vor Freude und Glück. Mein Meister beschrieb, wie sie ihn im Alter liebevoll umsorgen. Sie ließen ihm alle Freiheit, aber wenn er ihre Hilfe brauchte, sei immer jemand zur Stelle. Wenig später kamen zwei von ihnen und ich merkte, wie sehr sie ihren Vater ehrten und umsorgten - so wie es uns Gott im fünften Gebot aufgetragen hat.
Bei weitem nicht allen Altgewordenen ist das Glück vergönnt, bis zur letzten Stunde von den eigenen Kindern betreut zu werden. Weite Wege, Wohnungsprobleme und ein flexibles Berufsleben machen es schwer, sich um alt gewordene Eltern umfassend zu kümmern. Die optimale Lösung ist eher die Ausnahme, doch Zuwendung kann sehr unterschiedlich ausgedrückt werden. Wie wäre es zum Beispiel, wieder einmal einen Brief - wenn nötig in großer Schrift - zu schreiben? Den können Mutter oder Vater lesen, weglegen und erneut lesen. Das kann ein Telefonat nicht leisten. Das nur Gehörte verfiegt oft wie Schall und Rauch. Auch kleine Aufmerksamkeiten oder Geschenke können Liebe ausdrücken und machen viel Freude.
Allerdings bringt das "Vater und Mutter ehren" oft noch andere Herausforderungen mit sich. Und manchmal wird uns mehr abverlangt, als wir zu leisten imstande sind. Auch hier gilt: Leiste das Machbare! Für den einen sind es die regelmäßigen Besuche im Pflegeheim, andere können noch kleine Ausfahrten an bekannte Plätze unternehmen. Kleinigkeiten sind es, die das Leben schöner machen und dem anderen zeigen, dass man an ihn denkt, ihn liebt und er - trotz des Alters - uns noch wichtig ist.
Wilfried Krause
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.