Andacht vom 21.06.2010:
Mein Gewissen ist zwar rein, aber damit bin ich noch nicht freigesprochen, denn mein Richter ist der Herr. 1. Korinther 4,4 (Gute Nachricht Bibel)
Eine Befragung evangelischer Pfarrer in der Landeskirche Hannover ergab 2005: An erster Stelle orientieren sie sich an ihrem Gewissen (51,1 Prozent), dann erst am Glauben (43,4 Prozent), und noch weniger am Evangelium (36,2 Prozent). Ist ein gutes Gewissen ein sanftes Ruhekissen, wie es der Volksmund sagt? Manche meinen sogar, es sei "die Stimme Gottes" in uns.
Paulus traute seinem Gewissen nicht so viel zu. In seinem Brief an die Korinther, die Zweifel an seinem Amt äußerten, berief er sich zwar auf sein reines Gewissen, verwies aber auf Gottes Urteil, das durchaus anders ausfallen kann als das des Gewissens.
Gott hat jeden Menschen mit einem Gewissen ausgerüstet, eine innere Instanz, die uns beobachtet und beurteilt wie ein Richter. Aber nach welchem Maßstab? Ein Richter erlässt keine Gesetze, sondern entscheidet nach den bestehenden Gesetzen. Diese sind in jedem Land verschieden, stehen zum Teil sogar in krassem Gegensatz zueinander. In einigen Ländern und Kulturen gilt das Gesetz der Blutrache oder des Ehrenmordes. Wenn sich dort jemand weigert, das zu praktizieren, wird er sich doch wahrscheinlich schuldig fühlen.
Doch bleiben wir in unserer Heimat. Im Abitur wurde uns als Aufsatzthema ein Wort von Immanuel Kant gegeben: "Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung: der gestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir." Ich weiß nicht mehr, was ich damals geschrieben habe. Welchen Wandel hat dieses "moralische Gesetz" im Menschen seit Kants Zeit erfahren? Heute bestimmt häufg die öffentliche Meinung das moralische Rechtsempfinden. Was "man tut", wird zur gültigen Norm erhoben und manchmal in der Gesetzgebung festgeschrieben. Darum ist das Prinzip "Ich lebe nach meinem Gewissen" durchaus fragwürdig.
Das Gewissen urteilt nur richtig, wenn es von Gottes Maßstäben bestimmt wird. Was durch einen Computer ausgedruckt wird, bestimmt die Software, also das, was wir vorher einspeisen. Genau das trifft auch auf unser Gewissen zu. Gott verheißt seinem Volk im neuen Bund: "Ich schreibe mein Gesetz in ihre Herzen, es soll ihr ganzes Denken und Handeln bestimmen." (Hbr 8,10 Hfa)
Joachim Hildebrandt
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.