Andacht vom 18.10.2010:
Darum sollt ihr so beten: Unser Vater im Himmel! Matthäus 6,9a
Nach einem Evangelisationsabend, den ich in der Ukraine durchführte, blieben zwei Frauen zurück, um noch mit mir zu reden. Margarete, die Tochter, erzählte mir einen Teil ihrer Lebensgeschichte. Dabei ging es um ihren deutschen Vater, den sie nicht kannte. Der Krieg hatte ihn als Arzt in den Osten verschlagen. Zwischen ihm und einer ukrainischen Lazaretthelferin entwickelte sich eine große Liebe. Doch der weitere Kriegsverlauf trennte beide. Der Sanitätsoffizier wurde nach Ungarn verlegt und die junge schwangere Ukrainerin als Arbeitskraft nach Deutschland deportiert. Margarete wurde etliche Monate später bei Münster geboren. Gegen Kriegsende erreichte die Mutter die Nachricht, dass der Vater ihres Kindes tot sei. 1947 kehrten beide auf Bitten ihrer Eltern in die Ukraine zurück.
Solange sich Margarete erinnern konnte, bewegten sie die Fragen nach ihrem Vater: Wer war er? Wie war er? Sie konnte sich nicht damit abfinden, ihn nicht gekannt zu haben. Nach der Wende begann die mittlerweile 50-Jährige, nach ihm zu forschen. Eines Tages erreichte sie eine unglaubliche Nachricht: Ihr Vater lebt! Es gelang Margarete, eine Adresse ausfindig zu machen. Doch alle Bemühungen, den Kontakt herzustellen, waren ergebnislos. Daher bat sie mich, ihr zu helfen, ein Lebenszeichen von ihrem Vater zu erhalten.
Achtzehn Monate später erlebten meine Frau und ich in unserem Wohnzimmer die erste und einzige Begegnung zwischen Margarete und ihrem Vater. Diese fünf Stunden haben ihr Leben in vielerlei Hinsicht verändert. Margaretes Vater ließ sie ein Jahr später offiziell zu seiner Tochter erklären. Bald darauf verstarb er. Der Kontakt zu seiner Familie ist bis heute erhalten geblieben.
An dieses Erlebnis muss ich oft denken, wenn ich bete: "Unser Vater im Himmel!" Wir alle, auch die Vaterlosen, haben einen Vater. Jesus hat ihn uns bekannt gemacht. Er ist ein Vater, der uns liebt und für uns sorgt. Wir sind Kinder eines großartigen Vaters. Er gab für uns das Kostbarste, was er hatte: Jesus Christus, seinen einzigartigen Sohn. Es gibt keinen größeren Beweis seiner Liebe (Joh 3,16).
Und nach diesem Gott brauchen wir nicht lange zu suchen. In Jesus Christus ist er uns ganz nahe gekommen und hat gezeigt, wie er wirklich ist. Er ist immer nur ein aufrichtiges Gebet von uns entfernt und bemüht sich selbst, Kontakt zu uns herzustellen.
Wilfried Krause
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.