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Andacht vom 22.11.2010:

Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn's hoch kommt, so sind's achtzig Jahre, und was daran köstlich scheint, ist doch nur vergebliche Mühe; denn es fähret schnell dahin, als flögen wir davon. Psalm 90,10

Beim Gang über einen Friedhof verweile ich einige Minuten an einer Gedenkplatte. Neben dem Namen des Verstorbenen verrät sie mir nur seine Lebenszeit: 1931-2005. Ich vergleiche sein Alter mit meinem und stelle nur 13 Jahre Differenz fest. Ein leichtes Unbehagen durchfährt mich. Mir fallen sofort zwei, drei Ereignisse ein, die etwa diese Zeitspanne zurückliegen. Sie erscheinen mir noch zum Greifen nahe. In Gedanken versuche ich, meine Lebenszeit um zehn Jahre in Richtung Zukunft zu verschieben. Das beruhigt mich aber nicht wirklich.

Diese Grabplatte erinnert mich nachhaltig an das, was ich schon lange weiß: Mein Leben ist begrenzt. Plötzlich bleiben meine Gedanken am Unscheinbarsten des Schriftzuges hängen: dem Strich zwischen dem Geburts- und dem Sterbejahr. Das umfasst das Leben des Verstorbenen! Wie mag er den Strich ausgefüllt haben? Ungewollt wird mir der Strich zu einer Predigt: Meine Lebenszeit gleicht einem Strich!

Einige Bibelworte gehen mir in diesen Minuten durch den Kopf. Das eine lautet: "Nutzt die Zeit" (Eph 5,16a GNB). In diesem Augenblick bedeutet das für mich: "Geh mit deiner noch verbleibenden Lebenszeit verantwortungsvoll um! Freue dich über jeden Tag, an dem du gesund bist, und nutze die Zeit für die wirklich wichtigen Dinge, die dir und anderen zum Segen werden können."

Ich glaube, dass mit meinem Sterbetag für mich nicht alles vorbei ist. Schon unzählige Male habe ich am Grab über diese Hoffnung auf ewiges Leben gesprochen, die uns durch den Glauben an Jesus Christus geschenkt ist. Aber heute merke ich, wie ich diese Hoffnung in meinem eigenen Leben umsetzen muss. Es sterben ja nicht nur die anderen. Eines Tages wird es auch mich treffen. Mir wird bewusst, wie bedeutungsvoll die Bitte des Mose im bereits zitierten Psalm ist: "Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden." (Ps 90,12)

Nachdenklich verlasse ich den Friedhof und bete still: Herr, heute und morgen möchte ich noch nicht sterben, aber ich möchte auch nicht so sehr an meinem irdischen Leben hängen, dass ich mein eigentliches Ziel - das ewige Leben bei dir - aus den Augen verliere. Lehre mich bedenken, dass ich sterben muss, auf dass ich klug werde.

Wilfried Krause

Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.

 

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