Andacht vom 27.06.2011:
Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht, ist es doch Gottes Kraft zum Heil jedem Glaubenden, sowohl dem Juden zuerst als auch dem Griechen. Denn Gottes Gerechtigkeit wird darin geoffenbart, aus Glauben zu Glauben, wie geschrieben steht: "Der Gerechte aber wird aus Glauben leben." Römer 1,16.17 (Elberfelder Bibel)
Zwei Begriffe stehen im Mittelpunkt des Textes: Evangelium und Gottes Gerechtigkeit. Sie bilden eine Einheit, denn das Evangelium offenbart Gottes Gerechtigkeit. Doch was bedeutet "Gottes Gerechtigkeit"? Sie ist etwas völlig anderes als die Gerechtigkeit in unserem gewöhnlichen Sprachgebrauch.
Die Gerechtigkeit eines Richters erweist sich in der Bestrafung eines Schuldigen. So hat es auch der Mönch Martin Luther verstanden. Darum quälte er sich fast zu Tode, um vor dem gerechten, den Sünder strafenden Gott bestehen zu können. "Gleich im ersten Kapitel (Röm 1,17) hatte mir das Wort im Wege gestanden: ,Die Gerechtigkeit Gottes' ... weil ich es nach der Auslegung aller früheren Lehrer philosophisch von der formalen oder aktiven Gerechtigkeit Gottes verstand, vermöge deren er die Sünder und Ungerechten straft", schrieb er.
Als Luther 1512 schließlich "in fortgesetztem Nachdenken bei Tag und Nacht auf den Zusammenhang aufmerksam wurde", erkannte er seinen Irrtum. Die "Gerechtigkeit Gottes" bezieht sich hier nicht auf Gottes richterliches Handeln, sondern auf Gottes rettendes Eingreifen durch das Opfer seines Sohnes, um Sündern das Heil aus Gnaden zu schenken. Diese Erkenntnis war die Geburtsstunde der protestantischen Reformation, der Zurückführung zum Evangelium der Bibel.
In der Gemeinschaft der Adventgläubigen geschah 1888 in Minneapolis die entscheidende Hinwendung zu "Christus unsere Gerechtigkeit", die Wende von der Betonung des Gesetzes zur Betonung des Glaubens, durch den "der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben" (Röm 3,28). Paulus, der ehemalige Verfolger der Christusgläubigen, beginnt die große Erörterung der Rechtfertigung durch den Glauben mit einem persönlichen Bekenntnis: "Ich schäme mich des Evangeliums nicht."
Das Evangelium offenbart Gottes schenkende und rettende Gerechtigkeit für Sünder. Welche Botschaft für den Tag heute könnte hilfreicher und stärkender sein!
Joachim Hildebrandt
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.