Andacht vom 15.10.2004:
Gib, was du nicht behalten kannst
Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb. 2. Korinther 9,7
Die Stuttgarter Stiftskirche ist das Wahrzeichen der Stadt, obwohl sie bis heute unvollendet geblieben ist. Im Gegensatz zum Kölner Dom oder zum Ulmer Münster fehlt die Kirchturmspitze.
Am Ende des 15. Jahrhunderts war um Spenden für den Weiterbau des Turmes gebeten worden. Der hochbetagte Bürgermeister Aberlin Jörg hatte sich mit Nachdruck für die Vollendung seines Werkes eingesetzt. Die Spenden flossen in Strömen, denn sie wurden mit dem Ablass honoriert: Vergebung durch Geben - was für ein Beweggrund zu spenden!
Der Turm wuchs. Dann kam die Reformation. Die Lehre Martin Luthers kannte kein Geben mit Hintergedanken und verbot den Ablass. Sofort gingen die Spenden für den Bau der Kirche zurück.
In einem Bericht von 1527 klagt die Stadt, sie habe zwei Glocken gießen lassen, aber der Turm sei wegen Geldmangels noch nicht gedeckt und der Glockenstuhl bereits verfault. Man entschloss sich, den Turm mit dem heutigen Flachdach abzuschließen. In dieser Gestalt wurde er zum Wahrzeichen der schwäbischen Stadt. Gleichzeitig ist er ein Mahnzeichen, jegliches Geben mit Nebenabsichten sein zu lassen. Muss denn immer etwas für uns persönlich herausspringen?
Der Apostel Paulus war der Meinung, dass alles Geben und Schenken ganz und gar dem Empfänger gelten muss - aus fröhlichem Herzen kommend, nicht aus Zwang oder widerwillig. Denn Geben aus unlauteren Absichten oder mit egoistischen Hintergedanken wird in der Bibel nicht gutgeheißen. Horchen wir heute beim Geben oder Schenken einmal in uns hinein!
Sandra C. Wieschollek
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.