Andacht vom 03.05.2012:
Einige aber sind aufgeblasen, als ob ich nicht zu euch kommen würde ... Soll ich mit der Rute zu euch kommen oder in Liebe und im Geist der Sanftmut? 1. Korinther 4,18.21 (Elberfelder Bibel)
Die Christengemeinde in Korinth machte es dem Apostel Paulus wirklich schwer. Nicht nur, dass es unter ihnen große Spannungen gab, manchmal ging es richtig drunter und drüber. Am Ende legten sie sich auch noch mit ihrem Gemeindegründer an. Sie warfen Paulus vor, er ziehe den Kopf ein und zeige sich unterwürfig, solange er bei ihnen ist. Wenn er aber von unterwegs der Gemeinde einen Brief schreibt, dann würde er den Mund richtig voll nehmen (2 Kor 10,1.2). Wie sollte er damit umgehen? Er bot ihnen zwei Möglichkeiten an: Entweder er würde mit Macht durchgreifen und seine "Rute" zeigen, oder aber er käme im Geist der Liebe und der Sanftmut.
An diesem Beispiel wird mir sehr deutlich, welche Bedeutung das Wort Sanftmut in der Bibel besitzt. Ich dachte immer, dass es sich um eine Haltung handelt, die einen heute sogenannten "Softi" kennzeichnet. Auch deshalb, weil die Bibel häufig Sanftmut und Güte in einem Atemzug erwähnt. Aber wenn beide Worte oft nebeneinander stehen, muss es doch einen Unterschied zwischen beiden geben. Genau an dieser Bibelstelle wurde mir zum ersten Mal diese unterschiedliche Wortbedeutung klar. Entweder, so Paulus, komme er mit der Rute oder aber er biete eine friedliche Konfliktlösung an, mit Liebe und Sanftmut.
Ein "Softi", also jemand, der nur immer seine Ruhe haben will, Konflikten aus dem Wege geht und sie in der Hoffnung immer weiter vor sich her schiebt, dass die Zeit die Spannungen schon lösen werde - ein solcher Mensch sucht nicht nach Konfliktlösungen. Das wäre viel zu aufwändig und zu schwer. Wenn der Druck zu groß wird, dann knallt es, die Rute wird eingesetzt oder das "Basta-Prinzip" regiert.
Wie viele Wunden sind auf diese Weise geschlagen worden! Wie oft haben wir andere dadurch verletzt, dass wir uns nicht die Mühe gemacht haben, eine ehrliche, friedliche Konfliktlösung zu suchen! Doch genau das ist der Weg des Paulus. Die Ausführung seines Vorschlags macht mehr Mühe, bietet aber auch weit größere Erfolgschancen - und ist zugleich der Weg Gottes.
Unter diesen Vorzeichen klingt die Verheißung von Jesus mit einem Mal ganz neu: "Glückselig die Sanftmütigen, denn sie werden das Land erben." (Mt 5,5 EB)
Johannes Hartlapp
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.
