Andacht vom 06.06.2012:
Da sprach die Schlange zum Weibe: "Ihr werdet keineswegs des Todes sterben, sondern Gott weiß: an dem Tage, da ihr davon esset, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist." 1. Mose 3,4.5
Rätselhaft und fremd klingt diese Urgeschichte der Bibel für den heutigen Menschen. Und doch ist das nicht nur eine alte Geschichte, die in grauer Vorzeit geschah. Es ist eine ewige Geschichte, d. h. was hier erzählt wird, geschieht in gewisser Weise immer noch. Es geschieht auch mit dir und mir.
Im Mittelpunkt steht die Versuchung "sein zu wollen wie Gott". Das ist die entscheidende Frage: Ist der Mensch autonom, setzt er also selbst den Maßstab des Handelns, oder nimmt er vertrauensvoll an, dass die "Gesetze des Lebens" bereits vom Schöpfer "gesetzt" sind?
Bei den Worten "ihr werdet wissen, was gut und böse ist" geht es nicht um schlichtes Bescheidwissen. Gott hatte den ersten Menschen ja gesagt, was sie tun und was sie nicht tun sollten. Sie wussten also, dass es "gut" war, zum Baum des Lebens zu gehen, und dass es "nicht gut" war, das Verbot zu übertreten. Das Wissen, von dem hier die Rede ist, hat mit einem Machtanspruch zu tun. "Sein zu wollen wie Gott" erhebt den Anspruch, selbst zu bestimmen, was gut ist und was nicht.
Noch heute sagen Kinder trotzig: "Ich weiß selbst, was für mich gut ist!" Und wir Erwachsenen? Wissen wir nicht genau, wie schlimm es ist, wenn ein anderer etwas Böses tut? Tun wir aber das Gleiche, dann ist es nicht dasselbe, denn wir hatten ja andere Umstände und Beweggründe! Bestimmen wir so nicht auch über gut und böse?
Gott hat durch seine Gebote gesetzt, was gut und böse ist. Durch Jesus kennen wir auch die Gesinnung, in der wir damit umgehen können. Und doch erleben auch wir die Folgen der Übertretung, die in der Urgeschichte geschildert werden: Angst, Verschleiern und Verbergen, Schuldbewusstsein und Schuldgefühle, Rechtfertigungszwang und Schuldverschiebung. Daran erfahren und erleiden wir, wie sehr die Urgeschichte des Wortes Gottes auch uns betrifft. Sie ist ewig wahr. Doch auch das ist wahr: Wir dürfen wieder zur "Quelle des Lebens" gehen. Bei Jesus finden wir, was für uns am Besten ist: Vergebung und die Kraft, in seinem Geist neu anzufangen. Von ihm kommen Wahrhaftigkeit und Güte.
Lothar Wilhelm
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.