Andacht vom 20.11.2012:
So auch die Auferstehung der Toten. Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich. Es wird gesät in Niedrigkeit und wird auferstehen in Herrlichkeit. Es wird gesät in Armseligkeit und wird auferstehen in Kraft. 1. Korinther 15,42.43
Ein kleiner Ort am Alpenrand in Oberbayern. Wenn ein Einwohner stirbt, kommt das ganze Dorf zur Beerdigung. Nicht wie auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg, wo die Menschen im Fünfzehn-Minuten-Takt zu Grabe getragen werden. Nein, hier geht es noch beschaulich zu. Und doch sind die freien Plätze auf dem verhältnismäßig winzigen Friedhof in den letzten Jahrzehnten wesentlich weniger geworden. Das Grab, das ich besuche, liegt gleich am Hintereingang.
Ich weiß: Der Herr braucht kein Grab und keine "sterblichen Überreste", um einen Menschen wieder auferstehen zu lassen. Aber ich brauche einen Ort für meine Trauer. Zu Hause habe ich mir Erinnerungsstücke aufbewahrt: Fotos, Briefe und wenige Gegenstände, die an den Menschen erinnern, mit dem ich mich nun nicht mehr austauschen kann.
Doch möchte ich mir gern noch eine Erinnerung an meinen Friedhofsbesuch auf die lange Rückreise mitnehmen. Es ist November, und der Sturm hat einige Tannenzapfen auf das Grab geweht. Ich hebe einen Zapfen auf. Er fühlt sich fest, kompakt und gut an. Ich nehme ihn mit und lege ihn zu Hause auf das Regal über meinem Schreibtisch.
Einige Tage später hat sich mein Tannenzapfen völlig verändert: Er hat sich in der Wärme geöffnet. Und es fällt etwas heraus: eine unglaublich große Zahl von Samenkörnern. Sie tragen kleine Flügel, damit der Wind sie besser verteilen kann. Dieser winzige Tannenzapfen, den ich vom Ort des Todes mitgenommen habe, trägt ein außerordentliches Potenzial des Lebens in sich. Wenn diese Samen alle in die Erde gelangten, wüchse ein ganzer Tannenwald! Es gleicht einem Symbol der Auferstehung. Am Ort des Todes schafft der Herr neues Leben, verschwenderisch, "unverweslich, in Herrlichkeit und Kraft".
Der Tannenzapfen liegt immer noch auf dem Regal über meinem Schreibtisch. Danke Herr, für diese einprägsame Auferstehungspredigt! Danke für die feste Gewissheit, dass wir die Menschen wiedersehen werden, die wir geliebt haben - weil du neues Leben schenkst!
Heidemarie Klingeberg
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.