Andacht vom 14.01.2013:
Du sollst dir kein Gottesbild machen ... 2. Mose 20,4 (Einheitsübersetzung)
Gläubige Menschen reden häufig sehr sicher über Gott. Dabei erwecken sie den Eindruck, als wüssten sie genau, warum er etwas tut oder nicht. Viel zu selten machen wir uns bewusst, dass kein Mensch Gott begreifen kann - auch nicht der Gläubige. "Der Himmel und aller Himmel Himmel können ihn nicht fassen." (1 Kön 8,27) Er wohnt "in einem Licht, zu dem niemand kommen kann" (1 Tim 6,16). Das muss uns demütig und vorsichtig werden lassen.
Alle unsere Vorstellungen von Gott führen in die Irre, denn sie sind etwas, was wir uns selbst machen. Das hat Gott aber verboten! Wir dürfen uns kein Bild von ihm machen. Wer den Anspruch erhebt, genau über Gott Bescheid zu wissen, irrt nicht nur, sondern ist auch gefährdet, denn er wird sein Bild von Gott für Gott halten, bis ihn seine Gottesvorstellung zum Unrecht verleitet.
Der leidende Hiob wurde von seinen Freunden zu Unrecht beschuldigt, denn in ihr Bild von Gott passte es nicht, dass jemand unschuldig leidet. Sie meinten, ein guter Gott könne keinen guten Menschen leiden lassen, also müsse Hiob selbst schuld sein (Hiob 8,3-6). Die Geschichte der Kirche und der Religionen liefert unzählige Beispiele dafür, wie Menschen andere Menschen im Namen ihres Gottes abgelehnt, verfolgt, gequält und getötet haben. Auch heute noch geschieht das.
Aber wie können wir Gott lieben, wenn wir uns keine Vorstellung von ihm machen dürfen? Es ist unmöglich, jemand zu lieben, von dem wir uns keine Vorstellung machen können. Gott selbst bietet uns Hilfe an: Er begegnet uns in unserer Erlebniswelt. Er offenbarte sich als Vater, Sohn und Geist. Einen guten Vater kann sich sogar der vorstellen, der selbst keinen hatte. Von Vater und Mutter erleben Menschen die erste Liebe, Schutz, Geborgenheit und Führung und lernen Recht und Unrecht zu unterscheiden. Doch nicht alles, was Eltern tun, können Kinder verstehen.
In der Menschwerdung seines Sohnes wurde Gott anschaulich. In Jesus wurde er zu unserem Mitmenschen. Er wurde "Gott mit uns" (Mt 1,23), der Schuld und Tod für uns überwindet. Gott ist aber auch überall und ohne Grenzen wirksam. Das erfahren wir durch seinen Geist. Er ist wie der Wind: Wir sehen ihn nicht, wir beherrschen ihn nicht, aber wir können von ihm bewegt werden.
Wir können Gott verehren und lieben, aber begreifen können wir ihn nicht.
Lothar Wilhelm
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.