Andacht vom 09.12.2004:
Gut oder böse?
Du liebst das Böse mehr als das Gute und redest lieber Falsches als Rechtes. Psalm 52,5
Im alten Petersburg, so erzählt eine Anekdote, fiel ein Jude in die Newa. "Rettet mich", schrie er, "ich kann nicht schwimmen!" Zwei zaristische Polizisten patrouillierten am Ufer, doch sie dachten gar nicht daran, den Ertrinkenden herauszuziehen. "Hilfe! Ich ertrinke!" schrie der Jude wieder. Die Polizisten lachten. Dem Tode nahe, reckte der Jude mit letzter Kraft den Kopf aus dem Wasser und rief, so laut er konnte: "Nieder mit dem Zaren!" Sofort sprangen die Staatsdiener in den Fluss, zogen den Juden heraus und schleppten ihn in Gewahrsam. Der Ertrinkende hatte die Polizisten wenig gekümmert, der Aufrührerische aber ihre ganze Aufmerksamkeit geweckt.
Auch wir schenken den Notleidenden oft weniger Beachtung als den Notbereitenden. Das Elend friedlicher Bürger ist nicht so "interessant" wie der Ärger, den Betrüger und Verbrecher bereiten. Beschämt müssen wir die Wahrheit des zitierten Psalmwortes eingestehen. Noch immer wenden wir uns dem Bösen mehr zu als dem Guten, und es scheint so, als würde diese verkehrte Liebe zunehmen. Die Zeitungen strotzen von Berichten über unliebsame Ereignisse, obwohl es auch Positives zu berichten gäbe. Das Fernsehen liefert Krimis am laufenden Band, weil das die Einschaltzahlen erhöht. In den Nachrichten reiht sich eine schlimme Mitteilung an die andere. Wie ein Blümchen mitten im Unrat nimmt sich eine gute Nachricht aus. Sicherlich passiert viel Schlimmes, aber doch nicht nur! Wir sollten uns den Blick für das Gute bewahren und zum Vermehren des Guten beitragen.
Wer das Evangelium, die Gute Nachricht für alle, vernommen hat, lernt das Gute mehr lieben als das Böse, und er redet lieber Rechtes als Falsches.
Lothar Reiche
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.