Andacht vom 10.12.2004:
Fahrt durch die Nacht
Du erhörst Gebet. Psalm 65,3
Ein deutscher Prediger in Südrussland, Samuel Keller, will eine entlegene Gegend besuchen. Dichter Nebel versperrt die Sicht. Auch dem jungen Kutscher ist die Landschaft fremd. Den ganzen Tag sind die beiden unterwegs. Schon senkt sich die Nacht hernieder; es wird stockfinster. "Wir haben uns verirrt", sagt Keller zu dem Kutscher. "Was sollen wir nun machen?" Ringsherum Steppe. Der Kutscher weiß Rat. "Wir warten hier, bis die Pferde zu frieren anfangen. Die Zügel lassen wir los und schnalzen mit der Zunge. Dann laufen die Pferde von selbst zu den nächsten Häusern und Menschen."
Eine geheimnisvolle Fahrt durch die Nacht beginnt. Wo geht es hin? Bald hören sie Hundegebell in der Ferne. Bei einer armseligen Hütte bleiben die Pferde stehen. Keller ruft. Ein Junge kommt angesprungen. -"Ich bin der deutsche Prediger." - Doch Russisch versteht der Junge kaum. Als Keller seine Worte deutsch wiederholt, schreit der Junge auf und verschwindet im Dunkeln. Jetzt erscheint eine Frau. "Ich bin der deutsche Prediger", sagt Keller noch mal. "Ich habe mich in der Steppe verirrt. Ich bitte um einen Platz in der Hütte." Die Frau lässt das Licht fallen, dass es erlischt, schlägt die Hände über dem Kopf zusammen und sinkt auch schon zu Boden. Dann schreit sie in die Nacht hinaus: "Herr Gott, du bist der Gott, der Gebete erhört!"
Keller springt vom Wagen und bringt die Frau ins Haus. Sie erzählt ihm: "Ich habe den ganzen Tag Gott angerufen, er möge den Geistlichen zu meinem Mann schicken, der stirbt. Ich habe gewusst, dass Sie heute fünf Stunden von hier entfernt an unserer Gegend vorbeifahren, und ich habe gebetet, dass Sie - wie, das wusste ich nicht - noch kommen mögen, um mit meinem Mann zu beten. Nun ist mein Gebet erhört."
Geben wir es niemals auf, uns in Bedrängnis an Gott zu wenden - auch nicht in guten Zeiten! Gottes Ohr ist für unsere Bitten immer offen.
Kurt Selchow
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.
