Andacht vom 20.04.2013:
Gewöhne einen Knaben an seinen Weg, so lässt er auch nicht davon, wenn er alt wird. Sprüche 22,6
Die Sprüche der Bibel sind sprichwörtlich geworden: "Jung gewohnt, alt getan." "Früh krümmt sich, was ein Häkchen werden will." Aber auch das Gegenteil ist bekannt: "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr."
Die Formung des Charakters in der frühen Kindheit ist sehr wichtig. Wer wollte das bestreiten? Doch auch mit fortgeschrittenem Alter ist noch nicht "aller Tage Abend". Neueres Wissen über das Gehirn bestätigt: Versäumtes kann bis zu einem gewissen Grade durchaus nachgeholt werden. So wird das Sprichwort menschenfreundlich korrigiert: "Was Hänschen nicht lernt, kann Hans noch lernen."
In einigen Auslegungen des heutigen Andachtstextes ist von Erziehung die Rede und von Strenge. Die Verantwortung der Eltern wird beschworen. Man sieht geradezu den erhobenen Zeigefinger. Nun ist der Zeigefinger nicht so verkehrt, aber er könnte auch anders als weisend und drohend genutzt werden. Das hebräische Wort, das Luther mit "gewöhne" übersetzte und andere Übersetzungen mit "bringe bei" (GNB) oder "erziehe" (EB, Hfa) wiedergeben, heißt eigentlich: "den Gaumen des neugeborenen Kindes mit Dattelsaft einreiben". Dadurch wurde damals der Saugtrieb des neuen Erdenbürgers angeregt.
Erziehung und Bildung sollen die Lust dazu wecken, Gutes aufzunehmen und zu verinnerlichen. Erziehung ist also kein Herumzotteln am Schutzbefohlenen. Erziehung - recht verstanden - wird zu geistigem und seelischem Wachstum anregen. Fallen dir Lehrer ein, die dir unbändige Freude am Lernen vermittelt haben?
Wie könnte die Anwendung des "geistlichen Dattelsaftes" praktisch aussehen? Ist das die Methode, Heranwachsende mit Süßigkeiten zum Gottesdienst zu locken? Wie kann ich die Sehnsucht nach Gott fördern?
Voraussetzung ist erst einmal, dass ich selbst die Freundlichkeit Gottes geschmeckt habe. "Schmecket und sehet wie freundlich der HERR ist." (Ps 34,9) Wer probiert, sieht klarer, denn "Probieren geht über Studieren". Weiß ich nur vom Hörensagen von der Güte Gottes oder genieße ich sie?
Die erlebte Freude über Gott wird ansteckend wirken. Die erfahrene Liebe wird mich erfinderisch machen, das Verlangen nach Gott bei mir und Anderen wachzuhalten.
Werner Jelinek
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.