Andacht vom 30.04.2013:
Wenn ihr zornig seid, dann ladet nicht Schuld auf euch, indem ihr unversöhnlich bleibt. Lasst die Sonne nicht untergehen, ohne dass ihr einander vergeben habt. Epheser 4,26 (Hoffnung für alle)
Wie lässt sich der Anblick eines Zornigen beschreiben? Sein Gesicht wird rot, die Adern an Stirn und Schläfe schwellen an, der Blutdruck steigt, Adrenalin überschwemmt den Körper und die Haltung wird bedrohlich; die Augen blitzen abweisend und kalt. Das ist kein schöner Anblick!
Er passt auch nicht besonders gut zu Menschen, die im Gottesdienst zu voll tönendem Orgelklang singen: "... sanft und rein und heilig möcht ich gerne sein." (WLG 326) Aber Paulus kennt unseren christlichen Alltag und kommt ohne Umschweife zur Sache: "Wenn ihr zornig seid ..." Wenn das laute Wort ausgesprochen und mein Gegenüber verletzt worden ist . Nun ist es also geschehen, was ich eigentlich gar nicht wollte.
Manchmal - eher selten - kann Zorn auch schnell "verrauchen". Paulus mag sich jedoch nicht darauf verlassen und schlägt vor: "Macht es nicht noch schlimmer, indem ihr unversöhnlich bleibt." Aus dem schnell aufbrausenden Zorn könnte tiefsitzender Groll werden, der sich über Jahre hinzieht und schlimmstenfalls mit ins Grab genommen wird. Wer das nicht riskieren will, hat einen Tag Zeit, eine Alternative zu erwägen: "Lasst die Sonne nicht untergehen, ohne dass ihr einander vergeben habt."
Zugegeben, nicht jedes Zerwürfnis ist bis Sonnenuntergang beizulegen. Aber Vergebung kann bereits ohne Worte sichtbar werden: ein vorsichtiges Lächeln signalisiert dem Gegenüber: Es tut mir leid, dass ich dich verletzt habe, hilf mir bitte und komm mir einen Schritt entgegen.
". ohne dass ihr einander vergeben habt." Hier ist auch die verletzte Partnerin, der gekränkte Partner mit einbezogen. Denn vielleicht hat ihr oder sein Verhalten - bewusst oder unbewusst - "das Fass zum Überlaufen" gebracht. Da hat sich heimlicher Ärger aufgestaut, der sich in zornigen Worten "Luft gemacht" hat. Das Wort vom "reinigenden Gewitter", das der Volksmund gerne an dieser Stelle bemüht, trifft es wohl nicht ganz. Blitze können großen Schaden anrichten und Hagelschlag kann eine ganze Ernte vernichten. Aber wo dem Zornesausbruch Vergebungsbereitschaft folgt, können Liebe, Frieden und herzliche Zuneigung eine neue Chance erhalten - hoffentlich schon, ehe die Sonne untergeht.
Johannes Fiedler
Quelle: Andachtsbuch des Advent-Verlags Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung.